Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
schluchzt los. Ich erstarre, weil ich es nicht gewohnt bin, umarmt zu werden – es sei denn von Micha.
»Ich wollte ja sowieso nicht dahin«, weint sie. »Ich wusste, dass es so kommt.«
Über ihren Kopf hinweg sehe ich Hilfe suchend zu Micha. »Ist ja gut.«
Er sieht mich mitfühlend an und sagt lautlos, Bring sie rein.
Ich nicke, als er mir zuwinkt und wieder in seinen Wagen einsteigt. Auf dem Weg ins Haus stütze ich Lila, als ob sie krank wäre. In meinem Zimmer rollt sie sich auf meinem Bett zusammen und drückt ein Kissen an sich.
Eine Minute warte ich, ehe ich frage: »Möchtest du darüber reden?«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich will einfach nur schlafen.«
»Okay.« Ich schalte das Licht aus und sinke auf das Gästebett. Eigentlich sollte ich meinen Pyjama anziehen, aber es war ein anstrengender Tag.
»Mein Dad hasst mich«, flüstert Lila zwischen ihren Schluchzern.
Ich setze mich erschrocken auf und blinzele in die Dunkelheit. »Er hasst dich ganz bestimmt nicht.«
»Doch, tut er. Das sagt er dauernd – dass er sich wünscht, er hätte Söhne, keine Töchter, weil die nicht so schwierig sind.«
»Meinst du, es wird wieder?«, frage ich, weil mir nichts Besseres einfällt.
»Ja, klar. Ich brauche bloß etwas Zeit.«
War sie das Wunderheilmittel? Zeit? Ich falle auf das Bett zurück und schlafe zu Lilas leisem Schluchzen ein.
Kapitel 11
ELLA
Am nächsten Morgen geht es Lila viel besser. Es ist, als hätte es den gestrigen Abend nicht gegeben, und ich frage mich, ob alles gespielt war.
»Ich glaube, das wird heute ein Tag voller Regenbogen und Sonnenschein«, sagt Lila munter, als sie vor dem Spiegel in der Wandschranktür Lippenstift aufträgt.
Entgegen meinem Verbot hat sie einige meiner Skizzen abgenommen, damit sie sich im Spiegel sehen kann. »Was willst du da Neues sehen?«, hatte ich sie gefragt, worauf sie nur lachte.
»Bist du high?«, frage ich im Scherz, während ich mein Haar am Hinterkopf aufdrehe und mit einem Clip feststecke.
Sie hält inne und sieht über die Schulter zu mir. »Wieso fragst du das dauernd?«
Ich ziehe meine Stiefel an und schnüre sie zu. »Was?«
Lila malt weiter ihre Lippen an. »Jedes Mal, wenn ich froh bin, fragst du, ob ich betrunken bin oder etwas eingeworfen habe. Man kann auch ohne Rauschmittel fröhlich sein.«
Ich lege meine Armbanduhr um. »Die meisten ja, aber nicht alle.«
Lila steckt sich einen Diamantohrring an. »Du siehst heute richtig klasse aus.«
Ich sehe auf mein schwarz-lila Kleid und die Stiefel hinunter. »Ich habe vergessen zu waschen, also musste ich etwas von meinen alten Sachen anziehen, die nicht zu meinen neuen Schuhen passen.«
»Tja, sieht gut aus.« Sie macht eine Pause. »Und? Was steht heute an?«
»Kommt darauf an, was du vorhast«, erwidere ich. »Bist du … Wo willst du bleiben?«
Sie klappt ihr Handy zu und wirft es aufs Bett. »Ich würde gerne eine Weile bei dir bleiben, falls es dir nichts ausmacht. Wir könnten zusammen abhängen. Ich habe den Sommer nichts vor, und ich fahre nicht wieder nach Hause.«
»Willst du mir erzählen, was passiert ist?«
»Nein, lieber nicht.«
»Okay … tja, ich muss mir einen Job suchen. Ich muss die Semestergebühren zusammenbringen, denn wie es aussieht, bekomme ich den Praktikumsplatz nicht.«
Sie stülpt sich ein Haarband über. »Den in der Kunsthalle?«
»Genau der. Es würde erst Mitte Juni losgehen, aber das sind inzwischen nur noch fünf Wochen, also schätze ich, sie hätten mir Bescheid gegeben, wenn es klappt.«
»Kann man nie wissen. Manchmal sind solche Stellen enorm langsam.« Sie faltet ein T-Shirt zusammen und steckt es in ihre Tasche, dann bindet sie die Schleife hinten an ihrer Bluse. »Obwohl du, falls du den Platz bekommst, wieder nach Vegas musst, nicht?«
Ich nicke und gehe zur Tür. Vor zwei Wochen hätte mich die Vorstellung, in die Wüste zurückzukehren, überglücklich gemacht, aber etwas hat sich verändert. Ich will immer noch hin, doch der Abschied wird ein bisschen schwerer.
Als ich mein Handy von der Kommode nehme, blinkt mich nach wie vor Michas unabgehörte Nachricht an. Mein Finger schwebt einen Moment über der Taste, während ich hinaus auf den Flur gehe. Hatte er nicht gesagt, ich wäre noch nicht bereit für das, was er auf das Band gesprochen hat? Bin ich es jetzt?
»Ich verstehe nicht, dass du es hier so schlimm findest.« Lila folgt mir. »Klar, die Leute sind ein bisschen ungehobelt, aber sie sind nicht alle übel, und
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