Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
ungefähr zwei Autostunden entfernt, was mich erst recht stinksauer macht. Zwei Stunden, und er ist kein einziges Mal bei uns gewesen. Als ich vor seinem Haus ankomme, zerbreche ich beinahe das Lenkrad, so fest umklammere ich es. Er wohnt in einer zweigeschossigen Weißklinker-Villa. In dieser Gegend stehen lauter gigantische Häuser, und Leute führen ihre Hunde auf den Gehwegen spazieren. Hier finden keine Drogendeals an der Ecke statt, keine Gang-Prügeleien, und nirgends stehen Autowracks im Vorgarten.
Ich sitze in meinem Wagen und sehe zu der roten Haustür, an der ein großes »Willkommen«-Schild prangt. Der Vorgarten ist von Blumenbeeten gesäumt, der Rasen in der Mitte grün und frisch gemäht. Hat er uns deshalb verlassen? Weil er ein schickeres Leben wollte? Scheiße, warum hat er uns das angetan?
Mein Handy piept, und ich schalte es aus. Es ist Ella, doch im Moment kann ich nicht mit ihr reden.
Die Haustür geht auf, und ein Mann in den Vierzigern tritt auf die Veranda. Sein Haar hat den gleichen Blondton wie meines, ist aber dünner. Er hat einen schwarzen Anzug an und sieht wie ein arroganter Schnösel aus.
Er hebt die Zeitung vom Verandaboden auf und blinzelt zu meinem Wagen, als er von der Veranda kommt. Im Geiste zähle ich bis fünf, zwinge mich, die Hände vom Lenker zu nehmen, und steige aus dem Wagen. Er erkennt mich sofort und wird kreidebleich.
»Micha?« Er klemmt sich die Zeitung unter den Arm. »Bist du das?«
Ich hole tief Luft und gehe in den Vorgarten. »Ich weiß nicht mal, wieso ich hier bin.«
»Na, dann komm rein, damit wir reden können«, schlägt er vor. Ich folge ihm ins Haus, das von innen sogar noch schöner ist als von außen: Parkettböden, ein wuchtiger Kronleuchter und frisch gestrichene Wände mit lauter Familienbildern.
»Du hast Familie.«
Er geht voraus ins Wohnzimmer, wirft die Zeitung auf einen Tisch und bedeutet mir, mich hinzusetzen. »Ja, eine zwölfjährige Tochter und einen achtjährigen Sohn.«
Mir ist nicht wohl, als ich mich auf einem Sessel mit zu vielen Rüschenkissen niederlasse. Er setzt sich mir gegenüber hin und scheint keine Ahnung zu haben, was er tun oder sagen soll. »Und? Wie ist es dir ergangen?«
»Bestens.« An der Wand hängt ein großes Hochzeitsporträt von ihm und seiner Frau in der Kirche. Ich sehe es an und rechne nach. »Wie lange bist du schon wieder verheiratet?«
Er lehnt sich nervös auf seinem Sessel nach hinten und legt einen Fuß auf sein Knie. »Micha, weißt du, darüber würde ich jetzt lieber nicht reden.«
»Was hast du gemacht? Bist du abgehauen und hast die Erstbeste geheiratet, die dir über den Weg gelaufen ist?« Unmöglich kann ich nicht wütend klingen. Und als er den Blick zum Fenster abwendet, begreife ich. »Du hattest schon was mit ihr, als du noch bei Mom gelebt hast, stimmt’s?«
Nun sieht er mich wieder an, und mir entgeht nicht, dass er die gleichen Augen hat wie ich. »Micha, zwischen deiner Mutter und mir gab es Dinge, die du nicht verstehen kannst … Ich war nicht glücklich.«
»Es gab auch Dinge zwischen dir und mir«, kontere ich. »Und was ist deine Entschuldigung für die?«
Er reibt sich mit einer Hand übers Gesicht und seufzt. »Es tut mir leid.«
Ich balle meine Hände zu Fäusten, damit ich nicht dem Impuls nachgebe, aufzuspringen und ihn zu erwürgen. »Es tut dir leid? Super Antwort, Arschloch!«
Er nimmt eine braune Aktenmappe aus der Schublade in dem kleinen Ecktisch und knallt sie auf den Couchtisch zwischen uns. »Dein Großvater hat dir in seinem Testament einiges Geld zugedacht.«
Mein Blick wandert von der Mappe zu meinem Vater. »Ist das der Grund, weshalb du mich sprechen wolltest?«
Er öffnet die Mappe und zieht einen kleinen Stapel Papiere heraus. »Ich dachte, du könntest es vielleicht verwenden, um aufs College zu gehen oder so. Das wäre doch gut, nicht?«
Kopfschüttelnd stehe ich auf. »Ich gehe nicht aufs College, was du wissen würdest, hättest du mich gekannt, als ich älter als sechs war.«
Er schiebt die Papiere über den Tisch und legt einen Stift daneben. »Bitte, nimm einfach das Geld, Micha. Ich brauche die Gewissheit, dass du klarkommst, sonst verfolgt mich das.«
Mir stockt der Atem. »Hast du vor, mich jemals wiederzusehen?« Sein Schweigen reicht als Antwort. »Ich will dein verfluchtes Geld nicht!« Ich schleudere ihm die Papiere entgegen und stürme aus dem Haus. »Gib es einem von deinen richtigen Kindern.«
Er ruft mir nicht nach, als
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