Das Geheimnis von Ella und Micha: Ella und Micha 1 - Roman (German Edition)
überläuft. »Ella, was ist passiert?«
Sie zuckt zusammen und dreht sich zu mir. Ihre Pupillen sind so riesig, dass kaum noch Grün zu sehen ist. Diesen Gesichtsausdruck werde ich wohl nie vergessen.
»Ich glaube, sie hat sich umgebracht«, sagt sie benommen und streckt mir ihre blutbefleckten Hände hin. »Ich habe nach ihrem Puls gefühlt, aber sie hat keinen.«
Ich hole mein Handy aus der Tasche und wähle den Notruf. Als ich auflege, sinkt Ella in meine Arme und bleibt dort, ohne sich zu rühren, bis der Krankenwagen kommt. Sie weint nicht, atmet kaum noch, und es bringt mich fast um, dass ich nichts tun kann.
Kapitel 17
Gegenwart …
ELLA
Wieso ich hier bin, weiß ich nicht. Ich fing an, die Straße entlangzulaufen, aufgeputscht von einem Adrenalinschub, bei dem ich das Gefühl hatte, meine Brust würde explodieren. Der Regen prasselte auf mich ein, und ich konnte an nichts anderes denken, als so weit von Michas Haus weg zu sein wie irgend möglich. Aber mein Verstand holte mich ein und hierher zurück.
Aus meinen Sachen tropft Wasser auf den Badezimmerboden. Auf den Fliesen sind immer noch Flecken von ihrem Blut zu sehen. Ich setze mich hin, ziehe die Knie an meine Brust und starre die Wanne an.
Etwas in mir starb, als ich sie fand, nur bin ich nicht sicher, was. Meine Seele? An dem Abend wollte ich so dringend auf die blöde Party, dass ich sie alleine zu Hause ließ, obwohl mein Dad gesagt hatte, dass ich auf sie aufpassen soll.
Es gab nur die eine simple Regel für uns: Passt auf Mom auf. Und nicht mal an die konnte ich mich halten.
»Ella, was machst du hier?« Micha beobachtet mich von der Tür aus. Er ist ebenfalls vom Regen durchnässt.
Ich umfange meine Knie fester und kneife die Augen zu. »Ich habe gesehen, wie du mit Naomi in dein Zimmer gegangen bist.«
»Okay …« Er klingt verwirrt. »Und wieso hörst du dich traurig an?«
»Ist egal«, sage ich. »Es ist alles egal.«
»Nein, ist es nicht.« Er setzt sich zu mir und winkelt ebenfalls die Beine an. »Sonst wärst du nicht hier drinnen.«
»Stimmt, es ist nicht egal.« Ich male eine Fliesenfuge mit dem Finger nach. »Ich will nicht, dass du mit Naomi zusammen bist.«
»Warte mal. Denkst du, da läuft was mit ihr?«
»Tut es das nicht immer, wenn du ein Mädchen mit in dein Zimmer nimmst?«
»Naomi und ich haben bloß geredet«, murmelt er leise. »Und ich habe seit Monaten kein Mädchen mit in mein Zimmer genommen.«
Das zu hören, beruhigt mich ein bisschen, und mir wird klar, dass ich mich der Realität stellen muss. Ich kann so weit weglaufen, wie ich will, mich allem und jedem verschließen, doch es wird nichts gegen meine Gefühle für Micha ausrichten. Sie beherrschen mich.
»Übrigens hast du mir in der Nacht damals furchtbare Angst gemacht«, sagt er mit Blick zur Wanne. »So wie du ausgesehen hast, als du sie gefunden hast … Nie wieder will ich diesen Ausdruck in deinen Augen sehen – diese Leere.«
»Es war meine Schuld.« Die Worte fallen mir von der Seele und krachen in die Welt. »Ich sollte an dem Abend auf sie aufpassen, aber selbstsüchtig und bescheuert wie ich war, dachte ich, diese Scheißparty ist wichtiger.«
Er dreht meinen Kopf zu sich und sieht mir in die Augen, damit ich erkenne, wie viel ihm bedeutet, was er sagt. »Du bist nicht selbstsüchtig. Du warst siebzehn und hast einen Fehler gemacht. Alle Siebzehnjährigen machen mal Fehler.«
»Wegen meinem ist sie gestorben.« Die Worte kratzen meinen Hals wund. »Wäre ich zu Hause geblieben, wie ich es sollte, würde sie jetzt noch leben.«
»Du musst damit aufhören.« Seine Stimme klingt gequält. »Du darfst dir nicht die Schuld für etwas geben, das du nicht in der Hand hattest.«
»Ich wünschte, ich könnte eine Wiederholung bekommen.« Tränen brennen in meinen Augenwinkeln. »Ich möchte es noch mal und anders machen können.«
Er bedeckt meine Hand mit seiner. »Ich finde, du solltest mit jemandem darüber reden. Sonst wird es dich ewig zerfressen.«
Ich schlucke meine Tränen runter und ziehe meine Hand weg. »Du denkst, dass ich verrückt bin.«
Er kniet sich vor mich, legt seine Hände an meine Wangen und zwingt mich, ihn anzuschauen. »Sieh mich an. Keiner denkt, dass du verrückt bist. Du bist stark, aber du hast eine Menge Scheiße durchgemacht, und du brauchst vielleicht Hilfe, um die zu verarbeiten.«
»Anscheinend bin ich durchgeknallter, als du meinst«, sage ich. »Ich kann nicht mal mehr in einen Spiegel
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