Das Geheimnis von Islay Island
wischte sich die Hände an einem Tuch ab.
Mit einem Fuß bereits auf der Treppe, blieb ich stehen. »Sind die Zeitungen schon da? Miss Gabrielle wünscht, eine auf ihrem Frühstückstablett zu bekommen.«
Sie schaute sich rasch um, und als sie sah, dass die Luft rein war, schnaubte sie spöttisch. »Also, in dem Fall muss Mylady bis zehn Uhr auf ihr Frühstück warten. Die Fähre mit den Zeitungen legt immer erst nach neun an – das heißt, wenn sie keine Verspätung hat.«
Unter dem glasigen Blick der Hirschköpfe trug ich das Tablett durch den Flur im ersten Stock bis zu Gabrielles Zimmer und klopfte leise an. »Das Frühstück, Ms Robillard.«
Als ein gedämpftes » Entrez , Dorward« ertönte, balancierte ich das Tablett auf einer Hand und drehte den Knauf.
Wie ein Hollywood-Starlet ruhte Gabrielle an drei prall gefüllte Daunenkissen gelehnt im großen Doppelbett, einer modernen Variante eines Himmelbetts mit weißgoldenem Seidenbaldachin und passender Tagesdecke. Ich stellte das Tablett auf dem Nachttisch ab und ging zum Fenster hinüber, um die Gardinen aufzuziehen.
Lässig streckte sie einen Arm aus und nahm den Wecker in die Hand. »Sie ’aben sisch zwei Minuten verspätet, Dorward. Pünktlischkeit ist äußerst wischtisch, n’est-ce-pas , Sie verste’en?«
Ich murmelte ein unaufrichtiges »Tut mir sehr leid, Madam«. Als sie gestern Abend Sir Thomas vor dem Abendessen warten ließ, hatte sie keinen so großen Wert auf Pünktlichkeit gelegt.
Ein schlechter Anfang, auch wenn ich bezweifelte, dass es jemals möglich war, Gabrielle Robillard zufriedenzustellen. Dieselbe tyrannische Launenhaftigkeit musste ich über mich ergehen lassen, als ich ihr dann das Bad zubereitete. Auf ihre anderen Forderungen reagierte ich mit den erwünschten zerknirschten Antworten, und nachdem ich endlich entlassen war, ging ich in Sir Thomas’ Bad und sorgte für wohltemperierte Frotteetücher. Wenigstens musste ich ihm das Frühstück nicht ans Bett servieren.
Um elf Uhr kehrte ich ins Cottage zurück. Es war ein gutes Gefühl, dass der Koch und ich jetzt miteinander sprachen und dass ich auch in meiner Freizeit zum Haus Zugang hatte. Ich hatte an diesem Morgen Fortschritte gemacht.
Während ich meine Arbeit verrichtete, hatte ich darüber nachgedacht, was Gabrielle Robillards Anwesenheit als Sir Thomas’ Gast zu bedeuten hatte. Mit Sicherheit sprach es dafür, dass Allt an Damh in Morans Plänen eine Rolle spielte, und der einzige Grund, warum sich ein Drogenbaron für einen kleinen Gutsherrn auf einer dünn besiedelten schottischen Insel interessieren konnte, war die Nähe dieser Insel sowohl zu Irland als auch der Westküste von Schottland. Irland war zu einer wichtigen Zwischenstation auf der Route des internationalen Drogenschmuggels aus Lateinamerika und Westafrika nach Großbritannien und dem europäischen Festland geworden. Islay mit seinen Höhlen und versteckten Buchten an der zerklüfteten Küste bot sich Moran für eine seiner Unternehmungen geradezu an.
Wer mochte wohl der Gast sein, der morgen eintreffen sollte? Moran selbst oder jemand, der zu seinem Drogenring gehörte? Falls ich herausbekommen konnte, wann Sir Thomas und seine Gäste Allt an Damh verließen, konnte ich Gorgonzola ins Haus einschleusen und die Zimmer nach irgendwelchen Drogenproben oder sonstigen Beweisen für den einschlägigen Handel ausschnüffeln lassen.
»Recht zufriedenstellend, DJ «, bescheinigte ich mir im Stillen, während ich eine kleine Melodie vor mich hin summte und den Schlüssel in die Cottagetür steckte. »Und wahrhaftig acht Stunden, bis ich mich wieder mit der Diva Robillard herumschlagen muss.« Dabei hatte ich nicht an die andere Diva gedacht, die in der Gärtnerhütte auf mich wartete.
Miauurrrhh . Die Mischung aus Miauen und Fauchen, die mir entgegenschlug, als ich die Tür öffnete, machte unmissverständlich deutlich, in was für einer Stimmung Gorgonzola sich befand. Bei meinem Aufbruch am Morgen hatte ich ihren Teller nicht gefüllt. Ich war davon ausgegangen, dass sie noch ihr Verdauungsschläfchen halten würde, wenn ich wiederkam, doch wahrscheinlich war der gestohlene Leckerbissen bereits am Morgen vergessen gewesen und sie hatte ungläubig in eine leere Futterschale gestarrt. Katzen nehmen gern einen Happen zwischendurch zu sich. Angesichts der Gefahr, die ich gestern Nachmittag durch die versäumte Fütterung nach unserer Ankunft heraufbeschworen hatte, hätte ich es eigentlich besser wissen
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