Das Geheimnis von Melody House
Er gehörte einer jungen Frau im Alter zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Jahren. Der Fund deckt sich exakt mit der Geschichte von der Frau, die ihrer jüngeren Schwester aus Eifersucht den Kopf abgeschlagen hat.”
“Freut mich zu hören”, sagte Matt trocken.
“Die Zeitung hat auch schon angerufen. Sie wollen wissen, wann Sie vorhaben, den Schädel mit den übrigen sterblichen Überresten bestatten zu lassen.”
“Wer genau war dran?”
“Max Aubry.”
“Na toll.”
Aubry würde die Sache zu einer Riesensensation aufblasen. Zugegeben, Stoneyville war eine Kleinstadt. Und in einer Kleinstadt machten eben auch kleine Ereignisse Schlagzeilen. Aber Matt graute es schon jetzt vor dieser Art von Medienrummel.
“Ach, kommen Sie schon, Matt! Ist doch eine tolle Geschichte. Traurig zwar, aber spätestens jetzt hat sie doch noch einen glücklichen Ausgang.”
“Aubry wird diesen Geisteraspekt hochspielen und das alles mit Darcy Tremayne und Harrison Investigations in Zusammenhang bringen.”
“Na und?”
Er machte eine verärgerte Handbewegung. Was sollte bloß dieser ganze Quatsch mit diesen idiotischen Geistergeschichten? Hatte denn die ganze Stadt den Verstand verloren?
Den Verstand verloren
.
Die Worte hallten in seinem Kopf wider. Er selbst schien auch nicht so ganz weit entfernt davon, den Verstand zu verlieren, und zwar vor Lust. Wer hatte doch gleich behauptet, dass sie ihn anzog? Carter oder Clint? Egal, wer es war, Matt wusste nur zu gut, dass es stimmte, auch wenn er sich das Gegenteil einzureden versuchte. Seine Neugier auf sie war fast unstillbar, er wollte alles über sie wissen, weil es so vieles an ihr gab, was ihm rätselhaft schien. Er glaubte ihr nicht, und doch hielt er sie für keine Schwindlerin, denn jedes Mal, wenn er in ihre Augen schaute, sah er die Aufrichtigkeit darin, die Angst und vor allem diese erschreckende Vorsicht. Als ob Nähe für sie eine Gefahr bedeutete.
Matt überlegte einen Moment. Bei ihm war es ja nicht anders. Auch er gab sich einem Menschen nicht mehr blauäugig hin, und dennoch konnte er Darcy einfach nicht widerstehen: In derselben Sekunde, in der er heute Morgen aus dem Bett aufgestanden war, hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als sich wieder neben sie zu legen, ihre glatte kühle seidenweiche Haut zu spüren, zu beobachten, wie sie die Augen aufschlug, in denen sich nur für eine Sekunde ihre Verletzlichkeit zeigte. Sie war die sinnlichste und wunderbarste Geliebte, die er je gehabt hatte, und wenn er mit ihr zusammen war, wollte er so viel mehr und fühlte sich so anders als mit anderen Frauen. Er wusste, dass es mit ihr, der Geisterseherin, keine Zukunft geben konnte. Aber genau dieses Wissen machte ihn gleichzeitig wütend.
“Matt?”
“Ich bin in meinem Büro”, sagte er ein bisschen zu schroff. Verwundert schaute Shirley ihn an, doch Matt kommentierte ihren Blick nicht. Was hätte er schon sagen sollen?
Um Viertel nach acht wachte Darcy auf. Als ihr klar wurde, dass Matt bereits weg war, versuchte sie, über die vergangene Nacht nachzudenken. Aber schon bei den ersten Bildern, die ihr durch den Kopf gingen, wurde ihr das Herz schwer.
Seit ihrer Collegezeit lebte Darcy relativ zurückgezogen. Sie hatte eine liebevolle Familie und gute Freunde bei Harrison Investigations, aber von den Männern hatte sie sich weit gehend bewusst fern gehalten. Sie war nun einmal anders, und damit konnten die wenigsten umgehen. Seit Matt jedoch in ihr Leben getreten war, schien es aus den vertrauten Bahnen zu laufen. Sie hätte sich nie vorstellen können, dass man sich zu einem Mann dermaßen hingezogen fühlen konnte – körperlich, aber durchaus auch emotional.
Sie wusste genau, dass die letzte Nacht ein schwerer Fehler gewesen war, dass sie, wenn sie so weitermachte, verletzt werden würde. Dennoch wünschte sie sich nichts sehnlicher, als erneut in seinen Armen zu liegen und mit seinem Körper zu verschmelzen. So hatte sie nicht mehr empfunden seit … nun, vielleicht hatte sie überhaupt noch nie in ihrem Leben so empfunden. Das Bett strömte noch seinen Duft aus, und bei den Erinnerungen an die heiße Leidenschaft wurde ihr fast schwindelig.
Darcy zwang sich aufzustehen und in ihr eigenes Zimmer zu schleichen, damit sie niemand zufällig erwischen konnte. Dort legte sie sich, erschöpft und müde, in ihr eigenes Bett, um sich noch ein wenig auszuruhen. Hinterher sah die Welt möglicherweise schon anders aus.
Und als sie schließlich tiefer
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