Das Geheimnis von Orcas Island
Abwehrbewegung. Doch sie wehrte ihn nicht ab, wie er erwartet hatte. Sie erwiderte seinen harten, beinahe brutalen Kuss mit Leidenschaft und einem Schuss Vertrauen.
Sein Kopf wurde leer. Es war eine erschreckende Erfahrung für einen Mann, der seine Gedanken unter solch strenger Kontrolle hielt. Dann nahm er alles von ihr auf, ihren Duft, ihre Berührung, ihren Geschmack.
Er wich zurück – um seinetwillen, nicht um ihretwillen. Er war ein Überlebenskünstler, war es schon immer gewesen. Sein Atem ging schnell und rau. Eine Hand war noch immer in ihren Haaren vergraben, und die andere umklammerte ihren Arm. Er konnte sie nicht freigeben. Sosehr er sich auch ermahnte, sie loszulassen, sich abzuwenden und davonzugehen, er konnte sich nicht bewegen. Er starrte sie an und sah sein Spiegelbild in ihren Augen.
Er verwünschte sie – ein letztes rasches Leugnen –, bevor er den Mund erneut auf ihren presste. Es war nicht der Himmel, dem er zustrebte, wie er sich sagte. Es war die Hölle.
Sie wollte ihn besänftigen, aber er gab ihr keine Gelegenheit. Wie zuvor sandte er sie an einen heißen, luftleeren Ort, an dem nur für Gefühle Raum war.
Sie hatte Recht gehabt. Sein Mund war nicht weich, er war hart und rücksichtslos und unwiderstehlich. Ohne Zögern, ohne Gedanken an Selbstschutz öffnete sie sich für ihn, nahm begierig, was er bot, gab selbstlos, was er verlangte.
Charitys Rücken war an die glatte kühle Fläche des Kühlschranks gepresst, gefangen von Ronalds festem, straffem Körper. Wäre es möglich gewesen, hätte sie ihn näher an sich gezogen.
Sein Gesicht war rau, kratzte ihres, und sie erzitterte, denn sogar das erregte sie. Verzweifelt nun, nagte sie an seiner Unterlippe und verspürte eine neue Woge der Erregung, als er stöhnte und den bereits bodenlosen Kuss vertiefte.
Sie wollte berührt werden. Sie versuchte ihm dieses neue, zwingende Verlangen zuzuflüstern, aber sie brachte nur ein Stöhnen zu Stande. Ihr Körper schmerzte. Allein die Vorstellung seiner streichelnden Hände auf ihrem Körper ließ sie erschauern.
Einen Moment lang schlugen ihre Herzen im selben wilden Rhythmus aneinander. Dann riss er sich los, in dem Bewusstsein, dass er sehr nahe an eine Grenze gekommen war, die er nicht zu überschreiten wagte. Er konnte kaum atmen, noch weniger denken. Bis er sich sicher war, dass er beides konnte, schwieg er.
»Gehen Sie zu Bett, Charity.«
Sie blieb, wo sie war, davon überzeugt, dass ihre Beine nachgeben würden, wenn sie einen Schritt täte. Er war ihr noch immer so nahe, dass sie die Hitze seines Körpers spürte. Doch sie blickte in seine Augen und erkannte, dass er bereits außer Reichweite war. »Einfach so?«
Schmerz. Er hörte ihn aus ihrer Stimme und wünschte sich einreden zu können, dass sie ihn selbst verursacht hatte. Er griff nach seinem Bier, überlegte es sich aber anders, als er merkte, dass seine Hand zitterte. Nur eines war klar: Er musste sie loswerden, bevor er sie erneut berührte. »Sie sind nicht der Typ für eine schnelle Nummer auf dem Küchenfußboden.«
Die Farbe, die vor Leidenschaft in ihr Gesicht gestiegen war, verschwand. »Nein. Zumindest bin ich es nie gewesen.« Nach einem tiefen beruhigenden Atemzug trat sie vor. Sie war dafür, sich den Tatsachen zu stellen, selbst den unangenehmen. »Ist das alles, was es gewesen wäre, Ronald?«
Er ballte die Hand zur Faust. »Ja. Was sonst?«
»Ich verstehe.« Sie blickte ihm weiterhin in die Augen und wünschte ihn hassen zu können. »Ich bedaure Sie.«
»Tun Sie es nicht.«
»Sie sind nur für Ihre Gefühle verantwortlich, nicht für meine. Und Sie tun mir nun einmal Leid. Manche Menschen verlieren ein Bein oder eine Hand oder ein Auge, und entweder verkraften sie den Verlust oder sie werden bitter. Ich kann nicht sehen, welcher Teil Ihnen fehlt, Ronald, aber es ist genauso tragisch.« Er antwortete nicht. Sie hatte es auch nicht erwartet. »Vergessen Sie das Licht nicht.«
Er wartete, bis sie gegangen war, bevor er nach einem Streichholz kramte. Er brauchte Zeit, um seinen Kopf – und seine Hände – unter Kontrolle zu bringen, bevor er das Büro durchsuchte. Was ihn beunruhigte war, dass es wesentlich länger dauern würde, sein Herz unter Kontrolle zu bringen.
Beinahe zwei Stunden später wanderte Ronald anderthalb Meilen zur nächsten Tankstelle, um die Telefonzelle zu benutzen. Die Straße war still, das winzige Dorf dunkel. Der Wind hatte aufgefrischt, und es roch nach Regen.
Er
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