Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
nicht rausgeschmissen !«, erwiderte Mrs Punchalower. »Und außerdem ist Jeffrey ein Lebensberater, kein Therapeut.«
»Ich glaube, Sie haben mich missverstanden. Lulu braucht eine intensivere Behandlung, als ich sie ihr bieten kann. Etwas sehr Einzigartiges, etwas sehr Exklusives .«
»Ja?«, fragten Mr und Mrs Punchalower.
Ihre Augen leuchteten auf, als sie das Wort »exklusiv« hörten. Sie wollten nichts lieber als exklusiv sein.
»Ich spreche vom Phobinasium«, flüsterte Dr. Guinness kaum hörbar.
4
Jeder hat vor etwas Angst: Agyrophobie ist die Angst vor dem Überqueren der Straße
T ief in einem ländlichen Winkel im Nordwesten von Massachusetts lag ein Städtchen namens Farmington. 404 Menschen, 28 Hunde, 49 Katzen und sechs Pferde hatten das Glück, dort zu Hause zu sein. Zwar lebten in der Stadt noch viele andere Geschöpfe von Eichhörnchen bis zu Schildkröten, aber sie waren nicht offiziell registriert und wurden daher nicht in die alljährliche Zählung mit einbezogen.
Farmington wirkte seltsam unberührt vom Lauf der Zeit. Von amerikanischen Ladenketten war nirgendwo etwas zu sehen. Alle Geschäfte hatten private Besitzer und auf handgemalten Schildern konnte man das lesen. Es gab eine Hauptstraße, die ganz schnörkellos auch so hieß, und an ihr lagen McMillan’s Lebensmittelgeschäft, das Postamt, Henrys Zeitungskiosk, Farmys Speiselokal und das Büro des Sheriffs.
Beinahe alle 404 Einwohner (und viele von den Tieren) lebten in den Straßen rund um die Main Street, was zu einer sehr eng miteinander verflochtenen Gemeinschaft führte. Einige wenige lebten weiter draußen auf dem Land und kamen nur gelegentlich in die Stadt, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen und Post zu holen.
Die Direktorin des Phobinasiums, Mrs Wellington, die nie jemand zu sehen bekam, wohnte mit ihrem Hausmeister Schmidty am weitesten von der Stadt entfernt auf einem 70 Meter hohen und gut drei Fußballfelder großen Hochplateau. Die Granitfelsen fielen an den Rändern senkrecht ab. Wissenschaftler vermuteten, der ungewöhnliche Granitberg sei in der Kreidezeit durch einen Gletscher entstanden und das war vor ungefähr … sehr, sehr langer Zeit. Mrs Wellingtons Anwesen, Summerstone, sah im Verlorenen Wald aus wie ein Leuchtturm.
Wenn man den Namen »Verlorener Wald« hört, fragt man sich vielleicht, wie ein Wald verloren gehen kann. Er läuft, rennt oder hüpft nicht und man sollte annehmen, er sei groß genug, um einem Ranger nicht zu entgehen. Aber in diesem Fall bezieht sich »verloren« nicht auf den Wald selbst, sondern vielmehr auf alles und alle, die ihn betreten.
Die Bewohner von Farmington nannten den Verlorenen Wald ihr Bermuda-Dreieck. Auf Veranlassung der Ranger hin war er längst für die Öffentlichkeit
gesperrt worden. Überall am Waldrand standen Schilder mit der Aufschrift »Betreten verboten«. Nur zwei Dinge wagten den Verlorenen Wald zu durchqueren: der Moon River und eine selten benutzte Kopfsteinpflaster-Straße, die direkt bis zum Fuß des Berges führte, auf dem Summerstone stand.
Harold Wellington hatte Summerstone 1952 als Rückzugsort für seine Frau Edith errichtet. Das herrschaftliche Haus mit seinen acht Schlafzimmern war umgeben von Dattelpflaumen-, Feigen-, Orangen- und Kirschbäumen und stand genau in der Mitte des Plateaus. Mr Wellington hatte beim Bau von Summerstone und seiner luxuriösen Ausstattung keine Kosten gescheut. Es kursierten Gerüchte über goldene Toilettenbrillen und Lichtschalter aus Platin neben Gemälden von Renoir und Monet, aber daran war kein Wort wahr.
Mrs Wellington war viel zu stilbewusst und originell, um sich mit so plattem Prunk und Protz zu umgeben. Sie gab weitaus lieber Einzelstücke in Auftrag, wie etwa Tische aus Schildpatt und Porträts von ihren Haustieren. Ungeachtet des ausgefallenen Geschmacks von Mrs Wellington war Summerstone das großartigste Gebäude, das in Farmington je gebaut worden war. Leider konnten die Ortsansässigen das architektonisch faszinierende Bauwerk nur aus der Ferne bewundern, da Mrs Wellington eine ausgesprochene Abneigung gegen Besucher hegte.
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Jeder hat vor etwas Angst: Ablutophobie ist die Angst vor dem Waschen oder Baden
A n dem Abend, an dem die Mastersons aus London auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen in New York eintrafen, sorgten sie dort für großes Aufsehen. Wie immer zogen erschöpfte Reisende ihre Koffer hinter sich her, hielten Kinder an der Hand und suchten sich ihren Weg durch das Labyrinth von
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