Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
weckte.
Garrison plante, gegen seine Angst anzugehen und so die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen. Aber allein der Gedanke daran brachte seinen Magen in Aufruhr. Garrison musste unbedingt eine Methode finden, die funktionierte. Andernfalls würde sein Vater sein Scheitern dazu nutzen, ihn noch mehr herunterzumachen. Garrison durchforstete Websites und kämpfte dabei mit widersprüchlichen Gefühlen. Sein phobischer Anteil wollte dem Wasser aus dem Weg gehen. Sein rationales Denken wollte nichts mehr, als sich damit auseinanderzusetzen und dann zu neuen Ufern aufzubrechen. In Miami konnte ein Junge den Strand nicht unbegrenzt lange meiden, sonst wurden die Leute misstrauisch.
Gegen Morgen wurden Garrisons Augenlider schwer und er musste sich mächtig anstrengen, um nicht einzuschlafen. Frustriert und erschöpft überflog er einen Blog mit dem Titel »Wer hat Angst vor Virginia Woolf
oder vor etwas anderem?«. Er las drei Erlebnisberichte und blieb dann bei einem hängen, den ein elfjähriger Junge geschrieben hatte, der seine Sonnenphobie während eines Sommers im Phobinasium überwunden hatte. Die Behandlung hatte bei dem Jungen derart gut angeschlagen, dass er jetzt zu den Nachwuchs-Rettungsschwimmern am Strand gehörte.
Einen Augenblick lang fragte sich Garrison, ob er das Ganze geträumt hatte. Hatte er den Jungen erfunden, der vorher wegen seiner Angst vor der Sonne nur in der Nacht gelebt hatte? Er rieb sich die Augen und schaute noch einmal auf den Bildschirm. Vor ihm erschien eine scharf abgefasste Erklärung der Anwaltskanzlei Munchhauser & Sohn mit der Behauptung, der vorangegangene Erlebnisbericht sei rein fiktiv gewesen.
Garrison fühlte auf einmal einen Klumpen im Magen, weil seine Hoffnung schon wieder geplatzt war. Der Klumpen wuchs von Sekunde zu Sekunde und drückte seine inneren Organe gegen die Haut. Er blickte auf seinen Bauch, als erwartete er fast, dort gleich die Umrisse seiner Milz zu erkennen. Garrison hielt inne und holte tief Luft, sodass ein Fünkchen Verstand zu seinem Hirn vordringen konnte. Warum sollte eine Anwaltskanzlei sich die Mühe machen, wegen der überbordenden Fantasie eines Jungen ein Schreiben ins Netz zu stellen?
Garrison hatte das sichere Gefühl, es sei doch mehr
an der Sache. Er suchte überall im Web nach einer weiteren Erwähnung des Phobinasiums, fand aber nichts. Dieser Informationsmangel jedoch unterstützte nur Garrisons Überzeugung, dass er auf etwas Wichtiges gestoßen war. Sein Bauch sagte ihm, dass er das Phobinasium um jeden Preis finden musste.
Inzwischen war die Sonne aufgegangen und Garrison hörte den Wecker seiner Eltern summen. Sein Vater schlurfte in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen, und erspähte im nebenan gelegenen Wohnzimmer sofort den übernächtigten Garrison am Computer.
»Kauf ja nicht irgendwelchen Schrott bei eBay«, warnte Mike Feldman, während er Instantkaffeepulver in einen Henkelbecher kippte.
In einem Anflug von Schwachsinn hatte Garrison einmal die Kreditkarte seines Vaters entwendet, um damit eine nachgedruckte Baseball-Sammlerkarte von Joe DiMaggio zu bezahlen. Er hätte das Geld dafür zwar gehabt, aber er konnte im Internet ja nicht bar bezahlen. Da er nicht klauen wollte, steckte er seinem Dad einen Zwanziger in die Brieftasche und sah die Sache damit als erledigt an. Nur sein Vater betrachtete diese Transaktion in ganz anderem Licht, was nicht weiter überraschte.
Garrison richtete sich auf dem karierten Stuhl auf und überlegte, wie viel er darauf wetten würde, dass das Phobinasium ihm helfen konnte. Glaubte er so fest an
das Phobinasium, dass es die Tortur wert war, die er sich zumuten wollte? Noch ehe er sich darüber im Klaren war, sagt er die Worte zu seinem Vater, die seinen Entschluss endgültig machten: »Ich brauche deine Hilfe.«
Nachdem Garrison beide Eltern in die Sache mit dem Phobinasium eingeweiht hatte, wusste er, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Sein Vater verachtete Feiglinge, ob es um Sport, Scrabble oder das Auffinden des rätselhaften Phobinasiums ging. Zu dritt telefonierten sie die Hälfte der Kindertherapeuten durch, die im Telefonbuch von Miami aufgelistet waren, und fragten jeden nach dem Phobinasium.
Manche legten ohne ein Wort wieder auf, andere erklärten, sie hätten noch nie davon gehört. Aber manche polterten und stotterten derart herum, dass die Feldmans immer mehr glaubten, Garrisons Instinkt sei richtig. Es war zufällig Garrison selbst, der an jenem schicksalhaften
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