Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
dem Tisch liegt ein Brieföffner, aber du musst sehr vorsichtig sein, dass du keine von den Ranken berührst, sonst sitzen wir alle hier fest«, sagte Garrison nervös.
Ohne Zögern schnappte sich Lulu den Brieföffner vom Schreibtisch und zog eine Holzkiste zu Garrison hinüber.
»Pass auf, Lulu.«
»Sei still. Du lenkst mich ab, Garrison.«
»Stör sie nicht«, warf Theo ein.
Lulus kleine, schmutzige Hand zitterte, als sie sich den ineinandergreifenden Blättern näherte.
»Lulu, du musst dich beruhigen.«
»Na, super! Es ist ja klar, dass ich nicht freiwillig mit den Händen zittere. Ich kann aber nicht aufhören!«
»Warte. Halte einen Moment inne und denk an etwas Tröstliches«, erwiderte Garrison.
Lulu verdrehte die Augen.
»Wie etwa ein Handy«, schlug Theo vor.
»Oder Insektenspray«, fügte Madleine hinzu.
Lulu seufzte und dachte einen Moment daran, wie glücklich sie in dem Tunnel gewesen war, als sie die Stimmen ihrer Freunde gehört hatte. Das Zittern hörte auf und sie bewegte ihre erdige Hand mit der Präzision eines Chirurgen. Garrison wollte, dass Lulu sich beeilte, hielt es dann aber für besser, ihr gerade erst gefundenes Selbstvertrauen nicht erneut zu erschüttern. Lulu schnitt die Ranken in der Nähe von Garrisons Händen ab, sodass er sich wieder frei bewegen konnte. Dann reichte sie ihm erleichtert den Brieföffner, damit er Madeleine und Theo aus dem Rankennetz befreien konnte.
Madeleine sprühte sich sofort von Kopf bis Fuß ein. Sekunden später richtete sie das Spray gegen einen würdigen Gegner, nämlich das kleine schwarze Etwas, das sie von dem Netz aus erspäht hatte.
»Es ist ein Stück vertrocknetes Holz! So ein Glück!«, rief Madeleine aus. »Das war knapp.«
»Leute, wir müssen uns konzentrieren. Warum hat Munchhauser ein unterirdisches Büro gebaut?«, fragte Garrison und blickte sich in dem staubigen Raum um.
»Das ist ein ehemaliger Atombunker«, sagte Madeleine, als läge die Antwort doch auf der Hand.
»Ein was?«, fragte Lulu.
»Ein Bunker zum Schutz vor Atombomben. Sie wurden vor allem in den 1950er-Jahren im Kalten Krieg gebaut, für den Fall eines atomaren Angriffs.«
»So, und wie sollen wir hier herauskommen?«, fragte Lulu, die nun wieder einen leisen Anflug von Klaustrophobie verspürte.
»Dort ist die Tür«, sagte Garrison und zeigte ein Stück weiter nach vorn.
Nur Sekundenbruchteile, nachdem Garrison die Tür geöffnet hatte, schlug er sie wieder zu.
»Gibt es bestimmt keinen anderen Ausgang?«, fragte Garrison mit Schweißperlen auf der Oberlippe.
»Mal abgesehen von der Möglichkeit, einen 70 Meter langen Schacht wieder hochzuklettern?«, fragte Theo sarkastisch.
Garrisons Gesicht war blass und schweißbedeckt, aber er wischte sich die Stirn ab und fasste noch einmal an den kupfernen Türgriff. Er betrat den Raum dahinter, gefolgt von Lulu, Madeleine und Theo.
Augenblicklich ertönte ein Schrei, der lauter war als jeder andere Kinderschrei, seit es Kinder gibt. Er dauerte nur knapp acht Sekunden, hinterließ jedoch einen intensiven, unvergesslichen Widerhall in ihren Ohren.
25
Jeder hat vor etwas Angst: Geliophobie ist die Angst vor dem Lachen
F ünf nackte Glühbirnen brannten hell an der Decke des Bunkers und erleuchteten ihn bis in den letzten Winkel. In der Mitte des Raums standen unzählige rostige Büroschränke, auf denen sich Wettscheine, Bücher und Papiere stapelten. In der Ecke war eine Leiter an der Wand befestigt, die zu einer Art U-Boot-Luke in der Decke führte. Natürlich hatten nicht die Papiere oder Bücher den Kindern den Schrei entlockt, sondern etwas Unheimlicheres. Über den Schränken hing eine Kupferplatte, auf die ein ausgestopfter Kopf montiert war. Der Kopf eines Freundes. Seine braunen Augen mit den hängenden Lidern und der starke Unterbiss waren unverkennbar. Makkaroni.
»Mak«, murmelte Garrison ganz erschlagen.
»Makkaroni. Wie konnte er nur?«, sagte Theo und begann zu weinen.
»Das verstehe ich nicht. Es ergibt doch gar keinen Sinn. Er braucht Makkaroni, um an das Geld zu kommen«, sagte Lulu logisch.
»Und wie konnte er ihn so schnell ausstopfen und montieren lassen?«, fragte Garrison misstrauisch und näherte sich der Wand.
»Ein geübter Tierpräparator braucht dafür neun bis zwölf Monate, nicht neun bis zwölf Minuten«, fügte Madeleine hinzu. »Und wo ist überhaupt der Körper?«
»Das ist nicht Makkaroni«, sagte Garrison von seinem Standort unterhalb des Hundekopfes aus. »Das
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