Das Geheimnis von Summerstone - Die furchtlosen Vier
musst mitgehen. Sie brauchen dich. Ich glaube nicht, dass sie es ohne dich schaffen.«
Lulus Atemzüge waren kurz und flach und sie hielt ihr linkes Auge, das jetzt schmerzhaft pochte.
»Ich kann kaum atmen und bin noch nicht einmal im Tunnel. Tut mir leid, aber ich kann nicht. Ich bleibe hier bei Ihnen, Schmidty.«
»Lulu Punchalower«, rief Theo. »Ich brauche dich! Wer ist sonst gemein zu mir? Wer bremst mich, wenn du nicht da bist? Ich kriege bestimmt einen Anfall von hysterischer Blindheit, wenn du nicht mitkommst und mir sagst, ich soll die Klappe halten!«
»Tut mir leid, Pummel«, sagte Lulu voller Selbstverachtung.
»Aber Lulu, wir sind wie die drei Musketiere plus einer. Es fühlt sich nicht gut an, wenn du nicht auch kommst.«
»Ich … ich … kann … nicht …«
»Lulu, ich verstehe dich. Es ist in Ordnung. Wer weiß, vielleicht ist es besser, wenn du bei mir bleibst.«
»Danke, Schmidty.«
»Ich weiß, die gnädige Frau hätte verstanden, wenn sie hier wäre. Sie hätte dir wahrscheinlich gut zugeredet, immer eine Sprosse nach der anderen hinunterzugehen, damit es leichter ist«, sagte Schmidty nachdenklich und wandte sich dann direkt an Lulu. »Vielleicht könntest du einfach für sie die erste Sprosse hinuntersteigen und dann wieder herauskommen. Ich weiß, das hätte sie mit großem Stolz erfüllt.«
»Ich weiß nicht, Schmidty.«
»Äh, hallo? Wir warten hier drinnen!«, rief Theo heraus.
»Bitte, Theo, gib uns eine Sekunde Zeit«, sagte Schmidty in den Tunnel und drehte sich dann wieder zu Lulu um. »Es würde mir so viel bedeuten.«
Lulu konnte angesichts von Schmidtys verzweifelter und niedergeschlagener Miene nicht nein sagen, also holte sie tief Luft und kletterte in das Loch.
»Du bist gekommen?«, jubelte Theo bei ihrem Anblick.
»Nur keine verfrühten Hoffnungen, Theo! Ich bleibe nicht.«
»Äh, doch, ich denke schon«, sagte Schmidty und schnitt mit einer flinken, geschickten Bewegung die Strickleiter ab.
»Nein, Schmidty!«, kreischte Lulu und ihr sommersprossiges Gesicht wurde feuerrot vor Angst.
»Tut mir leid, aber sie brauchen dich!«, rief Schmidty aus, als die vier in der Dunkelheit verschwanden.
24
Jeder hat vor etwas Angst: Chirophobie ist die Angst vor Händen
D unkel. Es war völlig dunkel. Der Leuchter war ausgegangen, als die vier den steilen Tunnel hinuntergefallen waren. Als Lulu auf eine waagrechte Fläche kam, wuchs ihre Angst ins Unermessliche. Ihr Hals wurde vor Panik steif und ihre Atemzüge verwandelten sich in ein mühsames Keuchen. Das war die Situation, vor der sie sich ein Leben lang gefürchtet hatte. Es war ein Ort ohne Licht und ohne erkennbaren Ausgang. Die Stimmen der anderen hatten sich bereits entfernt und Lulu war allein.
Sie rollte sich zu einer Kugel zusammen und schloss die Augen. Dabei war es egal, ob sie die Augen offen oder geschlossen hatte, denn es war sowieso pechschwarz um sie. Sie kämpfte verzweifelt um genügend Luft und erkannte plötzlich, dass der Sauerstoff hier unten begrenzt war. Lulu dachte an ihre Eltern,
ihren Bruder, ihre Lehrer und Freundinnen. Sie alle schienen ihr so weit weg, dass sie beinahe unwirklich waren.
Als Lulu schließlich bereit war, sich der schreckenerregenden Wirklichkeit zu stellen, öffnete sie die Augen. Den Kopf zu heben war viel schwerer, als sie gedacht hatte. Das war sicher die Folge davon, dass sie am Ersticken war. Wo war Theo, wenn sie jetzt einmal ins Dramatische rutschte?
Lulu kroch aufs Geratewohl den Tunnel entlang, bis sie an eine enge Gabelung kam. Sie fühlte rechts einen Tunnel und links einen weiteren Tunnel. Sie überlegte, welcher sie wohl aus diesem Albtraum herausführen würde. Vielleicht waren es beide Sackgassen. Sie wusste es nicht.
Lulu hielt sich rechts, weil sie sich notgedrungen für eine Richtung entscheiden musste. Sie kroch, so schnell sie konnte - mit ihren verengten Lungen, einem hämmernden Kopf und konfrontiert mit ihren schlimmsten Ängsten. Sie wollte nur noch eines: der überwältigenden Finsternis entrinnen.
»Bitte, bitte, bitte«, murmelte Lulu, um sich selbst zum Durchhalten zu ermuntern. Sie nahm ihren Mut zusammen, kroch durch den Tunnel vorwärts und hielt erst inne, als sich ihr Haar in etwas verfing. Sie griff nach oben und stieß auf zwei kleine Äste, die aus der Tunneldecke ragten. Sie begann, kräftig an ihnen zu ziehen. Je mehr sie zu Atem zu kommen suchte, desto
schwerer bekam sie Luft. Ihre Augen tränten, ihre Handflächen wurden
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