Das Geheimnis von Turtle Bay
nach hinten.
Offenbar war er überrascht, und als er reagierte, hatte sie bereits einen kleinen Vorsprung herausgeholt. Hinter dem Schuppen standen ein paar Klapptische, zwei große, muschelförmige Ascher, und eine grobschlächtige Brücke führte über den hinteren Teil des Wassergrabens. Dahinter erwartete sie dichte, üppige Vegetation.
Bree hörte, wie er ihr mit schnellen Schritten laut atmend folgte. Sie verfluchte ihr überempfindliches Gehör, da ihr Puls in den Ohren fast schon schmerzhaft pochte.
Bevor sie die Hintertür erreichen konnte, hatte er sie eingeholt. Zwar gab es an der Rückseite des Gebäudes auch Fenster, doch wegen des Regens waren die schräggestellten Läden geschlossen.
„Hey, Babe“ , sagte der Mann mit tiefer, rauer Stimme, aber in ihrem Kopf und in ihrer Seele klang es, als würde er die Worte hinausschreien.
Babe? Sollte er der Mann sein, mit dem sich Daria hier getroffen hatte? Der ihr etwas auf den Bierdeckel geschrieben hatte? War ihre Affäre aus dem Ruder gelaufen, und hatte er sie deshalb umgebracht? Und wollte er jetzt ihre Doppelgängerin oder nur jemanden töten, der zu viele Fragen stellte?
Beim besten Willen stand ihr nicht der Sinn danach, in die Glades davonzulaufen, allerdings würde das stehende Wasser ihm das Vorankommen erschweren. Sie war Wasser gewöhnt, und sie war sich sicher, dass sie ihm entwischen würde. Dann konnte sie in einem Bogen zur Straße laufen und von dort zu ihrem Wagen zurückkehren. Vielleicht würde ihr jemand entgegenkommen, der ihr helfen konnte. Der Flughafen war nicht allzu weit entfernt, und auch auf dem Highway waren genug Fahrzeuge unterwegs, von denen sie eines anhalten konnte, denn von diesen Leuten würde niemand auf die Idee kommen, in die Cypress Road einzubiegen.
Sie entfernte sich von dem Mann und sprintete in Richtung Brücke. So weit war sie schon mal gekommen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie immer noch die schwere Handtasche über der Schulter trug, in der sich ihr Mobiltelefon befand. Wenn sie den Abstand zu dem Unbekannten ausreichend vergrößern konnte, würde sie den Notruf wählen können. Außerdem trug sie zwei Bierflaschen mit sich herum, die sich als Waffen einsetzen ließen.
Auf der klapprigen Brücke angekommen, gelang es ihm aber, sie am Handgelenk zu packen. Der Regen prasselte in den Wassergraben und umgab sie beide mit einem grauen, fast undurchsichtigen Vorhang. Bree zog eine Flasche aus der Tasche und schleuderte sie ihm an den Kopf, wo sie zerplatzte und sie beide mit Bier vollgespritzt wurden. Vielleicht machte ihn der Treffer ein wenig benommen, doch die Kappe und das T-Shirt vor seinem Gesicht bewahrten ihn vor möglichen Schnittverletzungen. Könnte sie ihm doch nur diese Maske herunterreißen! Aber wenn sie erst mal sein Gesicht gesehen hatte, würde er sie ganz sicher töten. So konnte sie immer noch hoffen, dass er ihr nur Angst einjagen wollte – was ihm längst mit großem Erfolg gelungen war.
Doch diese Angst weckte zugleich auch ungeahnte Kräfte. Beim nächsten Angriff würde sie mit dem Schlüssel auf sein Gesicht zielen oder mit der Handtasche ausholen. Etwas langsamer als zuvor hob er abermals den Schraubenschlüssel.
Bree holte abrupt mit ihrer Tasche aus und schaffte es, ihm das Werkzeug aus der Hand zu schlagen. Doch der Mann stürmte weiter, bis er mit ihr zusammenstieß. Noch während sie den Mund aufriss, um erneut zu schreien, durchbrachen sie gemeinsam das Geländer der Holzbrücke und landeten im Wassergraben.
Im nächsten Moment befand Bree sich unter Wasser und schlug sich den Kopf irgendwo an. War sie getaucht? Sie musste rücklings über Bord gesprungen sein. Aber wo war der Sauerstofftank … das Mundstück … die Tauchermaske? Sie hielt den Atem an und fühlte sich benommen und schwindlig. Tief im Meer … sie und Daria … so tief … so tief …
Aber es war gar nicht so tief. Unter sich fühlte sie den Grund, und sofort machte sie einen Satz nach oben, um nach Luft zu schnappen. Ein Stück neben ihr versuchte ihr Angreifer aufzustehen. Er war ebenfalls durchnässt und spuckte Wasser aus. Lieber Gott, betete sie, lass jetzt bitte keine Alligatoren auftauchen.
Sollte sie versuchen, dem Mann die Maske vom Gesicht zu reißen, damit sie ihn identifizieren konnte? Oder sollte sie besser die Flucht ergreifen, solange sie ihm noch entkommen konnte?
Ihr Entschluss war schnell gefallen, und sie begann aus dem Graben zu kriechen, rutschte aber zweimal wieder nach
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