Das Geheimnis von Winterset
würde!"
Anna schüttelte fassungslos den Kopf. Sie fühlte sich von einem Mann betrogen, den sie immer für einen guten Freund gehalten hatte. „Warum nur hat er mich angelogen?"
Nachdenklich sah Reed sie von der Seite an. „Glauben Sie, dass er noch mehr wissen könnte, als er dem Untersuchungsrichter gesagt hat?"
Verständnislos schaute sie zu ihm auf. „Was meinen Sie damit?"
„Halten Sie es für möglich, dass Perkins in die Morde verwickelt ist?"
„Nein!", keuchte Anna und fuhr sich mit der Hand an den Hals. „Nein, das ist unmöglich. Nick ist ein herzensguter Mensch. Er ... aber Sie haben doch gesehen, wie er sich um den verletzten Hund gekümmert hat. Sein ganzes Leben schon hat er Tiere gepflegt und geheilt."
„Es gibt Leute, denen Tiere lieber sind als Menschen."
„Ein wenig ist das bei Nick tatsächlich so, trotzdem würde er deshalb niemals einen Menschen umbringen - er könnte es gar nicht. Und schon gar nicht auf eine so kaltblütige und bestialische Weise."
„Aber er hat die Tote gefunden. Könnte er Susan Emmett nicht auch ermordet haben?"
„Sie vergessen gerade, dass die Zwillinge und ich Frank Johnson gefunden haben", bemerkte Anna spitz.
„Nun, das stimmt. Allerdings würden Sie diesen Umstand nicht noch Jahre später verschweigen - und schon gar nicht, wenn jemand, den Sie mögen und dem Sie vertrauen, Sie danach fragt, oder wenn Sie wussten, dass Ihre Aussage helfen könnte, ein anderes Verbrechen aufzuklären."
„Wollen Sie damit vielleicht sagen, dass Nick auch Estelle umgebracht hat? Das ist doch absurd!"
„Warum? Er ist bislang die einzige Person, die wir kennen, die als Täter sowohl für die früheren Morde als auch für die jetzigen infrage kommt. Damals war er ein junger Mann. Heute geht er zwar schon auf die achtzig zu, ist aber noch immer gut bei Kräften. Oder glauben Sie nicht, dass er es sehr wohl mit einem jungen Mädchen aufnehmen könnte - oder auch einem jungen Mann, wenn er ihn aus dem Hinterhalt überrascht?"
Anna sah Reed ungläubig an. „Das kann nicht Ihr Ernst sein."
Reed zuckte mit den Schultern. „Es wäre denkbar. Und die Tatsache, dass er Ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt hat, als Sie ihn nach den Morden fragten, erscheint doch sehr verdächtig."
„Er war ganz sicher nicht der Mann, mit dem Estelle sich heimlich traf", stellte Anna entschieden fest.
„Nein, das denke ich auch nicht. Bislang haben wir nur auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass ihr Verehrer sie umgebracht hat. Vielleicht ist sie ihrem Mörder begegnet, als sie auf dem Weg zu einem ihrer heimlichen Treffen war."
„Warum hat sich dieser unbekannte Verehrer dann noch nicht gemeldet?"
„Weil er fürchtet, dass jeder ihn für den Täter halten würde", erwiderte Reed.
„Ich weiß wirklich nicht, weshalb Nick mir verschwiegen hat, dass er damals das Dienstmädchen gefunden hat, und es ... es verletzt mich sehr, weil er mir nicht zu vertrauen scheint. Bloß heißt das noch lange nicht, dass er der Mörder ist. Vielleicht könnten wir ihm morgen einen Besuch abstatten und ihn erneut danach fragen. Wenn wir ihn mit der Wahrheit konfrontieren, erzählt er uns vielleicht auch den Rest."
Reed nickte. „Einverstanden. Wir sollten uns ganz ohne Vorbehalte anhören, was er zu sagen hat." Er zögerte kurz und fuhr dann fort: „Ihnen ist sicher bewusst, Anna, dass die Person, die für die Morde an Estelle und Frank Johnson verantwortlich ist, mit großer Wahrscheinlichkeit jemand ist, den Sie kennen."
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und seufzte. „Ja, das weiß ich. Auf jeden Fall muss es jemand sein, der gut mit den früheren Fällen vertraut ist, und ich habe mich schon gefragt... "
„Was haben Sie sich gefragt?"
Anna wirkte ein wenig verlegen. „Ich fühle mich wie eine Verräterin, wenn ich nur daran denke - ganz zu schweigen davon, den Verdacht auszusprechen ... "
Mittlerweile waren sie wieder bei dem Gasthof angelangt, und Reed führte sie zu einer Bank, die vor dem Haus stand. Sie setzten sich.
„Sagen Sie mir, was Sie denken."
„Ich habe mich gefragt, ob nicht Dr. Felton ..." Anna schaute ihn an, um zu sehen, wie er auf ihre Worte reagieren würde.
Zu ihrer Überraschung nickte er. „Daran habe ich auch schon gedacht."
Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. „Und ich meinte schon, meine Vermutung wäre völlig aus der Luft gegriffen. Immerhin ist er Arzt und hat sich der Aufgabe verschrieben, Leben zu retten. Wie sollte er zugleich ein
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