Das Geheimnis von Winterset
ersten Mal, waren aber denen ähnlich, die über sie gekommen waren, als sie vor ein paar Tagen an diesem Ort gewesen war. Erneut war Dunkelheit um sie, sie spürte einen Schlag und stürzte ...
Unwillkürlich streckte Anna die Hand aus, was ihr erst bewusst wurde, als Reed sie ergriff und sie fühlte, wie seine Finger sich um die ihren schlossen. Sie drückte seine Hand leicht und war dankbar für die beruhigende Kraft, die von ihm ausging.
Sie seufzte und öffnete die Augen.
„Geht es Ihnen gut?" Reed sah sie besorgt an.
Anna nickte. „Es war nicht so intensiv wie an jenem Tag, als wir ihn gefunden haben. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es nicht lediglich eine Erinnerung daran war, was ich zuvor verspürt hatte."
„Konnten Sie etwas über den Mörder erfahren?", wollte Reed wissen.
„Nein, im Grunde nicht. Es ging alles so schnell. Ich glaube, dass er sich aus dem Hinterhalt auf den Jungen gestürzt hat, denn gleichzeitig mit dem Schmerz empfand ich eine große Überraschung. Wahrscheinlich stand Frank Johnson seinem Mörder nie von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ich hatte das Gefühl, dass er mit dem ersten Schlag zu Boden stürzte und sogleich das Bewusstsein verlor." Bedauernd sah sie zu Reed auf. „Ich fürchte aber, das hilft uns nicht weiter."
„Wir können allerdings eine bestimmte Vorgehensweise erkennen, denn Ihr Bruder wurde gleichfalls von einem Schlag auf den Hinterkopf getroffen."
Anna nickte. „Ja, das stimmt. Wahrscheinlich will der Täter seine Opfer zunächst außer Gefecht setzen, bevor er ihnen diese furchtbaren Wunden beibringt."
„Wir könnten noch zu dem Hof gehen, wo Ihr Dienstmädchen gefunden wurde", schlug Reed vor. „Fühlen Sie sich dazu imstande?"
„Ja, mir geht es gut. Den Schrecken empfand ich als nicht annähernd so eindringlich wie bei dem Mal zuvor."
Sie stiegen wieder in den Sattel, durchquerten den Bach und ritten dann weiter nach Osten. Über eine friedlich daliegende Viehweide gelangten sie zu einer kleinen Anhöhe, wo sie von ihren Pferden stiegen.
„Dr. Felton meinte, dass Estelle bei den jungen Eichen dort drüben gefunden wurde." Anna deutete auf eine kleine Baumgruppe.
Obwohl sie langsam zu Fuß durch das Gelände gingen, ließ der Ort Anna seltsam unberührt. Schließlich blieb sie stehen und seufzte. „Ich verstehe das nicht. Vielleicht sind wir gar nicht an der richtigen Stelle. Oder es ist schon zu lange her."
„Sie konnten doch auch den Mord auf Winterset noch spüren, und das war vor fast fünfzig Jahren!", entgegnete Reed. Er überlegte kurz und meinte dann: „Als Sie zum ersten Mal das Gefühl hatten, Estelle könne etwas geschehen sein, waren Sie woanders, nicht wahr?"
Anna nickte. „Ja, ich war im Wald bei Holcomb Manor." Fragend schaute sie ihn an. „Glauben Sie, dass Estelle gar nicht hier ermordet wurde? Sollen wir es lieber dort versuchen?"
„Es ist nur eine Vermutung. Nur hat auch Lord de Winter Susan Emmett nach dem Verbrechen an einen anderen Ort gebracht. Unser Mörder könnte seinem Vorbild so sehr verpflichtet sein, dass er dieses Detail ebenfalls genau nachahmen wollte."
„Einen Versuch ist es sicher wert."
Erneut stiegen sie auf ihre Pferde und ritten zurück, um an der Brücke den schmalen Pfad einzuschlagen, der nach Hol-comb Manor führte. Sobald sie den Wald erreichten, saßen sie wieder ab und führten die Pferde am Zügel.
„Hier haben die Zwillinge den Hund gefunden", bemerkte Anna und zeigte Reed die Stelle. „Ich habe mich schon gefragt, ob seine Wunden wohl auch von der Person stammen, die die beiden Morde verübt hat. Die Ähnlichkeit war auf jeden Fall verblüffend. Vielleicht waren es auch die Schmerzen des Hundes, die ich an jenem Tag gespürt habe ..." Sie drehte sich zu Reed um und meinte: „Wir sind gleich dort. Es ist nicht mehr weit."
Sie bahnte sich ihren Weg zwischen den Bäumen und versuchte, sich genau daran zu erinnern, wo sie vor kurzem von dem Gefühl des panischen Schreckens überwältigt worden war. Auf einmal sog sie scharf den Atem ein und spürte ein unbehagliches Kribbeln auf der Haut.
„Spüren Sie etwas?", fragte Reed.
Anna nickte. „Ja, ein wenig. Es muss ganz in der Nähe sein."
Sie ging weiter, und auf einmal brach die Angst wie eine kalte Welle über sie herein. Unwillkürlich beschleunigte Anna ihre Schritte.
„Sie hatte Angst", stieß sie hervor. Mit leerem Blick starrte sie vor sich hin und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie in Gedanken vor
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