Das Geheimnis von Winterset
ungehobelter war als die meisten anderen Anwärter auf diesen Posten, Lord de Winter hingegen wollte keinen anderen Diener.
Arthur seinerseits zeigte Charles gegenüber unverbrüchliche Treue. Anna wusste, dass es einer sehr großen Zuneigung bedurfte, um freiwillig das Leben auf sich zu nehmen, das mit der Pflege ihres Onkels einherging.
„Wie ging es ihm denn während der letzten zwei bis drei Tage?", erkundigte sie sich nun.
Ein wenig überrascht sah Arthur sie an. „So wie immer, Miss." Er blickte zu seinem Herrn hinüber, der nun friedlich zu schlafen schien. „Er war ganz damit beschäftigt, diese Zeichen auf seine Hände zu malen. Jetzt ist er ruhig und glücklich, weil er glaubt, dass sie ihn schützen."
„Und nachts ... bleibt er hier?", fragte Kit vorsichtig.
Arthur war sofort auf der Hut und betrachtete sie beide mit gerunzelter Stirn. „Warum stellen Sie mir solche Fragen? Was ist passiert?"
„Wir möchten uns nur vergewissern, dass Onkel Charles während der letzten Nächte hier oben an der Hütte war."
„Natürlich war er das. Wo sollte er denn sonst hin? Er ist immer hier oder irgendwo oben in einem der Bäume, weil er von da besser Ausschau halten kann, damit die ,Schergen der Königin' sich nicht doch einmal unbemerkt heranschleichen."
„Geht er denn nicht manchmal auf Erkundungsgänge und sucht das Gelände nach Verfolgern ab?", wollte Anna wissen.
„Ja, manchmal", gab Arthur zögernd zu. „In letzter Zeit habe ich ihn allerdings nicht mehr davon reden hören."
„Aber nachts schlafen Sie doch, und somit können Sie nicht mit Gewissheit sagen, ob er hier bleibt oder nicht", stellte Anna fest.
Arthur schüttelte langsam den Kopf. „Nein, Miss, sicher weiß ich es nicht. Warum ist das so wichtig?"
„Weil etwas geschehen ist... "
„Hat jemand von Lord de Winter erfahren?", fragte Arthur besorgt.
„Nein, zwei Menschen sind umgebracht worden."
„Umgebracht!" Arthur sah sie entgeistert an. „Was wollen Sie damit sagen, Miss?"
„Die Umstände ihres Todes sind sehr seltsam. Die Opfer hatten Spuren am Körper, als sei jemand mit Krallen über sie hergefallen", erklärte Anna.
Einen Augenblick schaute Arthur sie nur verständnislos an, erst dann schien ihm aufzugehen, was sie meinte. „Oh!
Seine Nägel an Händen und Füßen ... Aber Miss, er würde niemals jemand etwas zuleide tun. Dazu wäre er gar nicht fähig. Ganz gleich, wie sehr er sich auch aufregt und in etwas hineinsteigert, so hat er mich doch noch nie angegriffen. Er ist freundlich und harmlos, das wissen Sie doch. Er ist nur ein wenig ... verwirrt ... und sehr verängstigt."
„Doch was wäre, Arthur, wenn er ... wenn er diese Leute für Spione oder für die Schergen der Königin gehalten hätte? Wenn er Angst gehabt hätte, dass sie ihm etwas Böses wollen? Sind Sie sicher, dass er niemandem etwas zuleide tun würde, selbst wenn er überzeugt wäre, dass er in Gefahr schwebt?"
Arthur stand die Besorgnis ins Gesicht geschrieben. „Nun ... nein, Miss, sicher bin ich mir nicht. Aber während der letzten paar Tage war er wirklich sehr friedlich. Das habe ich Ihnen doch gesagt. Er glaubt, dass dieser Engel ihm aufgetragen hat, sich neue Zeichen auf die Hand zu malen, und seitdem fühlt er sich wieder sicher."
Ein wenig ratlos biss Anna sich auf die Unterlippe und wünschte sich, dass Arthurs Worte beruhigender wären.
Natürlich war es für den alten Mann unvorstellbar, dass Charles etwas so Schreckliches tun könnte - Arthur war seinem Herrn treu ergeben. Im Grunde glaubte sie ebenfalls nicht daran, dass ihr Onkel zu einem Mord fähig wäre, doch ganz wollte ihr dieser schreckliche Gedanke nicht aus dem Kopf. Konnte sie denn wissen, wozu Onkel Charles fähig war, wenn er ganz in einer seiner Wahnvorstellungen gefangen war?
„Passen Sie gut auf ihn auf', bat Kit den Diener.
„Das tue ich doch immer, Sir", erwiderte Arthur ein wenig gekränkt.
„Das weiß ich, und Sie machen Ihre Sache ganz hervorragend. Nur müssen wir jetzt noch besser darauf achten, dass er sich nicht von der Hütte entfernt oder dass ihn jemand sieht."
„Hier kommt nie jemand vorbei, Sir. Die meisten Leute mögen den Wald nicht, und aus dieser Richtung kommt man auch nicht bis nach Craydon Tor hinauf. Ein oder zwei Mal sind Leute aufgetaucht, die auf den Berg steigen wollten, aber bevor sie was bemerken konnten, hab ich ihnen schon gesagt, dass sie hier nicht weiterkommen. Und sobald er Stimmen hört, versteckt er sich sowieso -
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