Das Geheimnis von Winterset
ihren Kopf ein wenig zur Seite, um auch Reed und Anna anzuschauen, die ihr gegenüber auf dem Sofa saßen.
„Mrs. Hartwell, ich bin Lord Moreland. Ich lebe jetzt auf Winterset, wo Sie einmal als Haushälterin gearbeitet haben."
Die alte Frau blinzelte kurz und wandte sich dann wieder ihrer Schwiegertochter zu. Sie öffnete den Mund und gab einige unverständliche Laute von sich. Die jüngere Mrs. Hartwell sah Reed und Anna entschuldigend an.
„Es tut mir leid. Man kann kaum noch verstehen, was sie sagt. Seit sie vor ein paar Jahren einen Schlaganfall hatte, ist sie nicht mehr dieselbe wie früher. Der Arzt meinte sogar, es sei ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebe, aber richtig sprechen oder laufen kann sie seither nicht mehr."
„Nein, ich bitte Sie - wir sollten uns dafür entschuldigen, Ihnen so unerwartet zur Last zu fallen", erwiderte Reed rasch. „Wir wussten ja nicht ... "
„Sie können ihr ruhig Fragen stellen. Ich verstehe, was sie sagt", bot sie ihm an.
„Wir würden gerne etwas über die Dienstboten erfahren, die zu Mrs. Hartwells Zeiten auf Winterset beschäftigt waren", begann Anna.
Alle blickten gespannt auf die alte Frau, die freundlich nickte. Ermutigt fuhr Anna fort: „Besonders interessieren wir uns für Susan Emmett. Sie hat vor fast fünfzig Jahren dort gearbeitet."
Die alte Frau nickte unentwegt weiter und lächelte noch immer. Ihre Schwiegertochter beugte sich zu ihr und fragte sie: „Erinnern Sie sich an Susan Emmett, Mutter? Damals, auf Winterset?"
Wieder stieß die alte Frau einige unverständliche Laute aus, und die junge Mrs. Hartwell entschuldigte sich erneut bei Reed und Anna. „Es tut mir leid, aber manches, was sie sagt, ergibt nicht viel Sinn. Sie sprach von ... ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, sie sprach von einem Tier ... "
„Einer Bestie?", schlug Reed vor.
Überrascht sah Mrs. Hartwell ihn an. „Ja, genau so hat es geklungen. Wissen Sie, was sie damit meint?"
„So ungefähr." Reed und Anna tauschten einen kurzen Blick. Sie wussten beide, dass sie von der alten Mrs.
Hartwell keine nützlichen Informationen über die Morde bekommen würden, dennoch fragte Reed unverdrossen weiter: „Wir hatten gehofft, dass Sie uns etwas über den Tod von Susan Emmett erzählen könnten."
„... Be...stie ... war's", brachte die alte Frau mühsam und halbwegs verständlich hervor.
Dann fügte sie noch etwas hinzu, und ihre Schwiegertochter sah Reed und Anna peinlich berührt an. „Sie hat noch gesagt, dass dieses Mädchen ein dummes Ding gewesen ist."
„Könnten Sie uns noch die Namen der anderen Dienstboten nennen, die zu Ihrer Zeit auf Winterset gearbeitet haben, Mrs. Hartwell?"
Erneut rang die alte Frau um Worte, die ihre Schwiegertochter übersetzte. „Ich glaube Cutting oder Cunning."
„Cunningham", sagte Anna.
„Oh, gut. Und sie erwähnte eine Arabel oder Anabel, hat aber keinen Nachnamen genannt. Und noch Josie - da bin ich mir ganz sicher - aber sie meint auch, dass sie alle tot wären."
Reed und Anna dankten den beiden Frauen für ihre Hilfe und verabschiedeten sich bald darauf. Er half Anna in den Sattel, stieg dann auf sein eigenes Pferd, und langsam ritten sie die Dorfstraße entlang.
„Ich fürchte, das hat uns nicht viel weitergebracht", bemerkte Reed schließlich.
Anna warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. „Nein. Es tut mir leid."
Er sah sie an und lächelte. „Das konnten wir ja nicht vorhersehen." Dennoch seufzte er enttäuscht. „Ich wünschte, wir könnten die Namen der anderen Dienstboten herausfinden. In seiner Nachricht schrieb Norton, dass nur die Haushälterin und der Butler eine Rente bekommen hätten." Er überlegte und meinte plötzlich: „Aber es muss doch Haushaltsbücher geben!"
Anna warf ihm einen kurzen Blick zu. „Ja, Sie haben natürlich recht, und ich weiß gar nicht, weshalb wir nicht eher darauf gekommen sind. Die Lohnzahlungen an alle Dienstboten werden dort aufgeführt sein."
„Nun müssen wir die Bücher nur noch finden."
„Als mein Vater die Geschäfte meines Onkels übernahm, wird er nur die letzten paar Bücher nach Holcomb Manor gebracht haben. Die alten sind bestimmt noch irgendwo auf Winterset."
„Falls sie überhaupt so lange aufgehoben wurden", gab Reed zu bedenken.
„Ja, ich weiß, es ist eine lange Zeit. Allerdings finden sich im Büro unseres Verwalters Aufzeichnungen, die schon über hundert Jahre alt sind. Aber die Holcombs waren immer schon ein bisschen aufgeräumter als die de
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