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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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fort, wie sie gekommen waren. Die Ehe! Sie verleitete ihn zur Feigheit – auf Kosten der Ehre. Die Ehe hatte ihm neue Pflichten auferlegt, die seinen früheren Aufgaben zuwider liefen. Mit einem Mal verstand Sano, weshalb Reiko so unzufrieden, ja unglücklich war. Durch die Ehe hatten sie beide ihre Unabhängigkeit verloren. Gab es eine Möglichkeit, diesen Verlust erträglich zu machen?
    Vielleicht lebte Sano gar nicht mehr lange genug, um das herauszufinden.
    Schließlich sagte Tokugawa Tsunayoshi: » Sôsakan Sano, Ihr werdet die Ermittlungen … äh, weiterführen. Aber Ihr und Eure Sonderermittler werdet Euch ab sofort vom Inneren Palast und den Frauen fern halten. Gebraucht Euren Einfallsreichtum, um den Mörder mit anderen Mitteln zu finden.« Dann brach er in Tränen aus und drückte das Gesicht an den Busen seiner Mutter.
    Fürstin Keisho-in blickte Sano an und grinste.

24.
    D
    ie neun Sonderermittler, denen Sano befohlen hatte, Nachforschungen im Inneren Schloss anzustellen, kamen hintereinander aus der Tür. Der Shôgun hatte befohlen, die Ermittlungen in den Frauengemächern einzustellen, und Tokugawa Tsunayoshis Befehlen musste jeder gehorchen. Sano und Hirata, die an der Eingangstür des Schlossgebäudes warteten, schlossen sich Ozawa, dem leitenden Beamten der Gruppe an, als die Männer sich in der Dunkelheit auf den Heimweg machten.
    »Habt Ihr irgendetwas herausgefunden?«, fragte Sano.
    Sonderermittler Ozawa, ein Mann mit flachem Gesicht, der einst als metsuke gearbeitet hatte, als Spitzel der Tokugawa, schüttelte den Kopf. »Wir haben nirgends Gift gefunden oder sonst eine Spur.«
    An den Wänden der Durchgänge zwischen Palastgebäuden brannten Fackeln; ihr Rauch stieg in die dunstig-trübe Luft. Eulen schrien in dem Waldstück, und aus Richtung der Stadt war das Bellen von Hunden zu hören. Der melancholische Charme des Herbstes hatte immer schon den Romantiker in Sano geweckt; diesmal aber bedrückte ihn diese Jahreszeit, die man vielfach mit dem Tod in Verbindung brachte. »Was ist mit den Vernehmungen?«
    »Keiner will irgendetwas wissen«, erwiderte Ozawa, »was natürlich bedeuten könnte, dass alle lügen, oder dass sie Angst haben, mit der Sprache herauszurücken. Aber ich glaube, jemand hat ihnen verboten, etwas zu sagen.«
    »Habt Ihr die Gemächer von Fürstin Keisho-in durchsucht?«, erkundigte sich Sano.
    Ozawa blickte ihn erstaunt an. »Nein. Ich wusste gar nicht, dass wir das tun sollten. Außerdem hätten wir dafür eine Sondergenehmigung der Fürstin benötigt. Wieso fragt Ihr?«
    »Ist nicht weiter wichtig«, erwiderte Sano. »Schon gut.«
    »Wahrscheinlich wäre die ganze Sache sowieso Zeitverschwendung gewesen«, sagte Ozawa. »Wir hätten den Rest des Jahres im Inneren Schloss verbringen können, ohne irgendetwas zu erfahren.«
    Das war ein schwacher Trost für Sano, denn der Befehl des Shôguns hatte ihm nicht nur den Zugang zu den Gemächern von Fürstin Keisho-in und zu 500 möglichen Zeugen versperrt – denn so viele Bewohner zählte das Innere Schloss –, sondern ihn überdies von einer der Hauptverdächtigen abgeschnitten: Konkubine Ichiteru. Der Gedanke an diese Frau erinnerte Sano an eine unangenehme Aufgabe, die er noch an diesem Abend erledigen musste.
    Als die Männer Sanos Villa erreichten, begaben die Sonderermittler sich in ihre kasernenartigen Unterkünfte. »Gehen wir in meine Schreibstube«, sagte Sano zu Hirata.
    Kurz darauf knieten sie in der von Kohleöfen geheizten Stube einander gegenüber und nippten an Schalen mit heißem Reisschnaps. Hirata sah bedrückt aus; in Erwartung einer Bestrafung durch Sano hielt er den Kopf gesenkt. Sano wehrte sich gegen aufkeimendes Mitleid. Er hatte Hirata dessen seltsames Verhalten in letzter Zeit schon viel zu lange durchgehen lassen. Nun hatte Hirata sogar ihre Arbeit gefährdet und einen Schaden angerichtet, der vielleicht nicht mehr gutzumachen war. Sano wollte die Freundschaft zu dem Mann, den er schätzte wie keinen zweiten, um nichts auf der Welt gefährden, aber diesmal würde Hirata sich nicht mehr um Antworten drücken können.
    »Was ist bei der Vernehmung von Konkubine Ichiteru geschehen?«, fragte Sano. »Und warum hast du unseren Vorgesetzten gesagt, wir hielten sie für unschuldig?«
    »Es tut mir sehr Leid, sôsakan-sama. « Hiratas Stimme zitterte. »Was ich getan habe, ist nicht zu entschuldigen. Ich … Konkubine Ichiteru …« Er schluckte; dann blickte er Sano an und fuhr fort: »Ich konnte sie

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