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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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wollen. Warum konnten sie nicht friedlich nebeneinander leben? Zorn stieg in Sano auf, während er sich innerlich wappnete, wieder eine jener Schlachten schlagen zu müssen, aus denen er bisher stets als Verlierer hervorgegangen war.
    Doch Yanagisawa lächelte Sano an und ließ seinen männlichen Charme spielen. »Wenn ich Euch irgendwie behilflich sein kann, lasst es mich bitte wissen. Wir müssen zusammenarbeiten, um die Bedrohung für den Shôgun schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen.«
    Sano musterte den Kammerherrn argwöhnisch, sah jedoch keinerlei Boshaftigkeit in dessen dunklen, funkelnden Augen, nur – so schien es jedenfalls – aufrichtige Freundlichkeit.
    »Aaah, so sehe ich es gern! Meine beiden fähigsten Männer arbeiten zu meinem Wohl zusammen!«, seufzte der Shôgun und wälzte sich herum, damit der Masseur ihm Brust und Bauch kneten konnte. »Und ich dachte schon, ihr … äh, kämt nicht miteinander aus. Wie dumm von mir.« Tokugawa Tsunayoshi kicherte.
    Während des gesamten Krieges, den Yanagisawa gegen Sano führte, war ihrer beider Herrscher in seliger Unwissenheit verblieben: Yanagisawa achtete sorgsam darauf, dass der Shôgun nichts von der unersättlichen Machtgier seines Kammerherrn erfuhr. Und hätte Sano den höchsten Beamten des Shôguns angegriffen, wäre dies einem Angriff auf Tokugawa Tsunayoshi selbst gleichgekommen, was eine Anklage wegen Hochverrat nach sich gezogen hätte, das schlimmste und schändlichste aller Verbrechen, das mit dem Tod bestraft wurde. Nun fragte sich Sano, welche Strategie der Kammerherr sich diesmal zurechtgelegt hatte, um seinen Feind zu vernichten.
    »Ich bin froh, zwei solche Beschützer zu haben«, fuhr der Shôgun fort, »weil der Mord an Harume eine unmittelbare Bedrohung meines gesamten … äh, Regimes bedeutet. Indem jemand eine meiner Lieblingskonkubinen ermordete, wollte er dafür sorgen, dass ich niemals einen Sohn zeugen kann, sodass die Erbfolge ungewiss bleibt und somit die Gelegenheit wie auch ein Grund für einen bewaffneten Aufstand gegen mich geschaffen wird.«
    Ehrlich verwundert sagte Kammerherr Yanagisawa: »Das ist eine sehr kluge Betrachtungsweise dieses Verbrechens, mein Fürst.«
    Der Shôgun strahlte; er fühlte sich geschmeichelt. Als Yanagisawa einen raschen, verstohlenen Blick mit Sano tauschte, aus dem beiderseitiges Erstaunen über den unerwarteten Scharfsinn ihres Herrn sprach, wuchs Sanos Argwohn. Es war das erste Mal, dass er und Yanagisawa so etwas wie Einverständnis empfanden. Trotz ihrer jahrelangen Feindschaft keimte ein Funken Hoffnung in Sano auf. War es möglich, dass der Kammerherr sich geändert hatte?
    »Wie lange schon wünsche ich mir einen Sohn; doch immer wieder wurden meine Bestrebungen zunichte gemacht«, jammerte der Shôgun. »Meine Gattin ist unfruchtbar und schwer krank. Und von meinen 200 Konkubinen ist nicht eine fähig, mir ein Kind zu schenken! Die Priester beten Tag und Nacht; ich habe ein Vermögen für Opfergaben an die Götter ausgegeben, und auf den Rat meiner ehrenwerten Mutter hin habe ich das Gesetz zum Schutz der Hunde erlassen.«
    Der Priester Ryuko hatte Fürstin Keisho-in von der Notwendigkeit überzeugt, der Shôgun müsse für die Sünden seiner Ahnen büßen, wollte er einen Sohn zeugen. Weil Tokugawa Tsunayoshi im Jahr des Hundes geboren war, so erklärte Ryuko, müsse er als Buße ein Gesetz zum Schutz der Hunde verabschieden, und genau das hatte der Shôgun dann auch getan. Wer einen Hund verletzte, wurde ins Gefängnis geworfen; wer einen Hund tötete, wurde hingerichtet. Das »Hundeschutzgesetz« verdeutlichte Ryukos Einfluss auf Keisho-in, wie auch deren Einfluss auf den Shôgun. Zwar war ein Erbe und Nachfolger bislang noch immer ausgeblieben; dennoch waren die Beziehungen zwischen Ryuko und Keisho-in und die zwischen der Fürstin und ihrem Sohn eher stärker geworden.
    »Doch meine Bemühungen waren vergebens.« Der Kopf des Shôguns bewegte sich hin und her, als der Masseur die Schultern durchknetete. »Vielleicht sind die Konkubinen allesamt so unzulänglich wie meine Frau. Oder die Sünden meiner Ahnen wiegen so schwer, dass ich sie nicht … äh, wieder gutmachen kann.«
    Doch Sano wusste, dass es so wenig an den Konkubinen des Shôguns wie an dessen Ahnen lag, wenn er keinen Sohn zeugte, sondern vielmehr an Tsunayoshis Vorliebe für Männer. Tokugawa Tsunayoshi hielt sich einen ganzen Harem hübscher Knaben, Samurai, Priester und Schauspieler, mit denen er seine

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