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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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zweier Fehlgeburten war Ichiteru mit einem Mal vergessen gewesen – aber nicht bereit, diese Schmach hinzunehmen. Sie schmiedete Pläne für Harumes Niedergang. Zuerst streute sie widerwärtige Gerüchte über das Mädchen aus, begegnete ihm mit Verachtung und ermutigte ihre Freundinnen, es ihr gleichzutun. So hoffte sie zu erreichen, dass Harume sich schließlich so elend fühlte, dass ihre Gesundheit und ihr Aussehen darunter litten. Doch dieser Plan schlug fehl: Fürstin Keisho-in schloss Harume ins Herz und empfahl sie ihrem Sohn, dem Shôgun, als viel versprechendste Konkubine, was die Aussicht auf die Geburt eines Erben betraf. Ichiterus Hass auf die Rivalin wurde so groß, dass sie ihr den Tod wünschte und schärfere Waffen gegen sie einsetzte. Doch wieder ohne Erfolg.
    Dann, vor zwei Monaten, hatte Ichiteru bemerkt, dass Harume nichts mehr zu sich nahm; bei den Mahlzeiten stocherte sie nur lustlos in den Speisen herum. Ihre einst rosige Haut wurde blass, und Ichiteru beobachtete an drei aufeinander folgenden Tagen, wie Harume sich morgens im Waschraum erbrach. Ichiteru sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Ihre Rivalin war schwanger. Ichiteru wurde von Verzweiflung gepackt. Sie musste verhindern, dass Harume die Mutter des nächsten Herrschers wurde! Und sie konnte nicht einfach warten und hoffen, dass das Kind ein Mädchen sein würde, oder dass auch Harume eine Fehlgeburt erlitt. Sie wollte nicht den Rest ihres Lebens als überarbeitete Palastbeamtin verbringen, denn kein Mann von Rang würde sie, die verstoßene Konkubine, jemals heiraten. Und am allerwenigsten wollte sie in Schande nach Kyôto zurückkehren. Mit neuer Entschlossenheit suchte sie nach Möglichkeiten, ihre Rivalin zu vernichten.
    Unabsichtlich hatte Harume Ichiterus Plänen Vorschub geleistet, indem sie ihre Schwangerschaft verschwiegen hatte. Vielleicht hatte sie in ihrer jugendlichen Unwissenheit gar nicht erkannt, dass sie ein Kind erwartete. Doch die stets wachsame Ichiteru beobachtete, wie Harume Kleidungsstücke aus jenem Korb nahm, in den die Konkubinen ihre blutbefleckte Unterwäsche warfen; offenbar wollte Harume sie tragen, wenn Dr. Kitano seine Untersuchungen vornahm, und auf diese Weise vertuschen, dass ihre Monatsblutungen aufgrund der Schwangerschaft ausblieben. Oder sie hatte Angst davor, krank zu sein und aus dem Palast verbannt zu werden, falls jemand davon erfuhr. Doch Ichiteru hatte eine noch viel bessere Erklärung: Harumes Kind war gar nicht von Tokugawa Tsunayoshi. Ichiteru hatte mehr als einmal beobachtet, wie Harume sich bei Ausflügen aus dem Palast davongeschlichen hatte. Hatte sie Angst vor der Strafe, weil sie sich mit einem anderen Mann eingelassen hatte? Als Ichiteru in Harumes Zimmer herumschnüffelte, um Hinweise darauf zu finden, wer dieser Unbekannte war, hatte sie ein Paket entdeckt, das ein schmuckes Tuschefläschchen und einen Brief von Fürst Miyagi enthielt. Doch welchen Grund Harume auch für ihre Heimlichtuerei gehabt haben mochte – Ichiteru konnte endlich wieder Hoffnung schöpfen und Ränke schmieden …
    Nun war Harume tot. Und da die anderen Konkubinen beim Shôgun nur wenig Begierde erwecken konnten, stieg Ichiteru wieder in ihren alten Rang als bevorzugte weibliche Partnerin des Shôguns auf. Noch einmal bekam sie die Gelegenheit, Mutter seines Erben zu werden, bevor sie mit 30 Jahren als Konkubine entlassen wurde. Nur ein Problem blieb: Ichiteru musste den sôsakan davon überzeugen, dass sie keine Schuld an Harumes Ermordung trug. Schließlich wollte sie die Früchte von dreizehn Jahren Arbeit genießen.
    Abrupt erlahmten Tokugawa Tsunayoshis Bewegungen, und er ließ sich mit einem zornigen Aufschrei auf den Futon zurückfallen. Erschöpft keuchte er: »Aaah, meine … Liebe, ich fürchte, ich … kann nicht mehr.«
    Ichiteru kauerte sich auf die Hacken. Vor Enttäuschung und Zorn wäre sie beinahe in Tränen ausgebrochen, beherrschte sich aber. »Das tut mir sehr Leid, Herr«, sagte sie sanft und streckte die Hände nach ihm aus. »Vielleicht, wenn ich Euch helfe …?«
    Er machte eine abwehrende Handbewegung; dann zog er sich die Decke über und schloss die Augen. »Ein andermal. Ich bin zu müde, um es noch einmal zu versuchen.«
    »Wie Ihr wünscht, Herr.« Ichiteru erhob sich und strich ihre in Unordnung geratene Männerkleidung glatt. Während sie das Schlafgemach durchquerte, wurde die Entschlossenheit in ihrem Herzen so hart wie Feuerstein. Das nächste Mal würde sie

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