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Das geheimnisvolle Gesicht

Das geheimnisvolle Gesicht

Titel: Das geheimnisvolle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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deshalb, weil ihm die Schwester am Telefon nicht sagen wollte, was geschehen war. Gleich nach dem Ehrmann-Besuch hatte er vor, in Richtung Luzern zu starten.
    Als sie vor dem Geschäft des Uhrmachers ankamen, war es zehn Minuten vor 11 Uhr. Das geschlossene eiserne Scherengitter vor der Ladentür, so empfand es Perry Clifton, hatte etwas Feindliches, Abweisendes an sich. Während der Kommissar auf den Knopf neben dem kleinen schwarzen Schild mit der Aufschrift EHRMANN, PRIVAT drückte, warf er einen Blick auf die ausgestellten Uhren hinter der Scheibe aus Panzerglas.
    Nach dem vierten Klingeln schien es unabänderlich festzustehen: weder der Uhrmacher Ehrmann noch sonst jemand, der zum Haushalt oder zur Familie gehörte, war da. Johannes Gaitner schimpfte leise und ratlos in sich hinein. Perry Clifton tröstete ihn: „Kein Grund zur Aufregung, Herr Kommissar. Es ist Sonntag, vergessen Sie das nicht. Kann man es da jemandem verübeln, wenn er nicht zu Hause ist?“
    Gaitner murmelte zuerst etwas Undeutliches, laut sagte er: „Wäre ja alles halb so schlimm, wenn ich nicht nach Luzern müßte.“ Clifton wehrte ab. „Sie haben mir schon so viel geholfen, Herr Gaitner, daß es höchste Zeit wird, daß ich auch mal ohne Sie zurechtkomme. Sie fahren jetzt nach Luzern, und ich werde es später noch einmal probieren.“
    „Hm“, machte Gaitner, mit sich, seiner Schwester und der Welt unzufrieden. Doch dann fiel ihm etwas ein. Es war eine Hoffnung, die Perry Clifton absolut nicht zu teilen gedachte. „Sie haben recht, Herr Clifton“, sagte er, „warum sollte sich Herr Ehrmann nicht einen Sonntagsausflug gönnen. Er wird heute abend zurückkommen!“ Er lachte verschmitzt. „Wie ich! Und dann können wir es gemeinsam noch mal probieren.“
    „Das ändert jedoch nichts daran“, schränkte Clifton ein, „daß ich zwischendurch noch einmal (oder mehrere Male, was er jedoch nicht laut sagte) vorbeischaue.“
    Minuten später befand sich Johannes Gaitner auf dem Weg nach Luzern, während Perry Clifton den Weg zum Rhein einschlug. Zu Gaitner hatte er gesagt: „Ich werde jetzt zwei Stunden durch die Gegend marschieren und hoffe, daß mir dabei eine besonders gute Idee kommt.“
    Als er gegen 13 Uhr 30 wieder das Geschäft von Ehr-mann ansteuerte, waren zwar zweieinhalb Stunden vergangen, doch die „besonders gute Idee“ war ausgeblieben.
    Nichts hatte sich geändert.
    Nichts deutete darauf hin, daß die Bewohner inzwischen zurückgekehrt waren.
    Doch schon nach dem ersten Klingelzeichen öffnete sich ein Fenster im ersten Stock. Eine Frau um die fünfzig, streng frisiert, sah zu ihm herunter. „Haben Sie geklingelt?“ Eine überflüssige Frage, denn außer Perry Clifton gab es im Augenblick niemanden, der als Klingler in Betracht käme.
    „Ja, guten Tag, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich störe. Ich hätte gern Herrn Ehrmann gesprochen!“
    Der streng frisierte Kopf verschwand, ein anderer tauchte auf. Graue Haare, finsteres Gesicht, hellblaues Hemd und Krawatte.
    „Sind Sie Herr Ehrmann?“
    „Bin ich.“
    „Wäre es möglich, daß ich Sie etwas fragen könnte?“
    „Um was handelt es sich denn?“
    Leute waren plötzlich da, Fußgänger, Spaziergänger, Kinder. Es schien eine größere Familie zu sein. Auch ein Hund war dabei. Als er an Ehrmanns Ladengitter das rechte hintere Bein in die Höhe hob, machte der Uhrmacher oben am Fenster empört: „Tschtschtsch!!“ Doch die Mischung aus Pudel und Dackel ließ sich nicht beeindrucken. „Ich komm runter!“ rief Herr Ehrmann. Unklar blieb in diesem Augenblick, ob die Ankündigung dem Hund oder Perry Clifton galt. Er knallte das Fenster zu, daß die Scheiben klirrten. Der Hund kläffte hell und giftig in Richtung Geräusch, sein Herrchen rief vorsichtshalber: „Los, Wally, hierher!!“ und die drei Kinder begannen plötzlich einen Wettlauf zu einem nicht erkennbaren Ziel. Die Frau neben dem Hundebesitzer lächelte Clifton im Vorbeigehen zu und sagte seufzend: „Ja, ja, die Kinder!“ Perry lächelte zurück.
    Die Ladentür hinter dem Gitter öffnete sich. Perry Clifton versuchte, den untersetzten Mann mit dem grauen Haarschopf einzuschätzen.
    „Bitte, was wünschen Sie?“
    Der Uhrmacher betrachtete ihn mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht. Mit Blicken, mit dem sich ein Besucher im Zoo ein seltenes Tier hinter Gittern anschaut. So jedenfalls kam es Perry Clifton vor. Er beschloß, sich eine lange Einleitung zu schenken, denn es sah nicht danach

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