Das geheimnisvolle Gesicht
aus, als ob Herrn Ehrmanns Laune besser werden könnte. „Vielleicht häuft er sämtlichen Mißmut aus der Woche auf die Besucher, die ihn am Sonntag stören“, durchfuhr es Perry. Und wirklich, Ludwig Ehrmann ließ keinen Zweifel daran aufkommen, daß er das Gespräch nur durch das Gitter zu führen gewillt war.
„Mein Name ist Clifton. Ich suche im Auftrag einer Londoner Versicherung nach einer Frau!“
„Ach!“ sagte Ehrmann, es klang höhnisch. „Und was habe ich mit dieser Versicherung und dieser Frau zu tun?“
„Madame Bloyer wohnte einige Wochen im Hotel Bristol. Von einem Zimmermädchen im Hotel weiß ich, daß Madame eine Uhr zur Reparatur zu Ihnen gebracht hat. Sie sollten ihr die Uhr dann nachschicken.“
Während er dies erklärte, hatte er den Umschlag mit den Fotos aus der Tasche genommen und schob Ehrmann die Porträtaufnahme entgegen. Mit spitzen Fingern nahm der das Foto entgegen. Stirnrunzelnd sagte er dabei: „Wir bekommen sehr viele Reparaturaufträge. Und wir verschicken auch eine Menge. Aber an den Namen Bloyer...“, er stockte, denn zum ersten Mal betrachtete er das Foto in seiner Hand. Und mit lebhaftem Nicken versicherte er: „Ja, diese Dame war bei uns. Aber sie hieß bestimmt nicht Bloyer!“
Clifton wunderte sich nicht. „Es könnte sein, daß sie auch die Namen Burton oder Lamatin verwendet hat.“
Der Uhrmacher sah ihn ehrlich überrascht an. Vorsichtig und bedächtig reichte er das Foto zurück. „Ja!“ sagte er dann und noch einmal: „Ja...“ Seine Gedanken befaßten sich zweifellos mit einem bestimmten Problem. Clifton konnte nicht ahnen, daß Ehrmann an das dachte, was ihm jener Dr. Tonin gesagt hatte: „Madame wird im Zusammenhang mit einer internationalen Betrugsaffäre gesucht, und das nicht nur von uns, der Polizei, sondern auch von ihren Komplizen.“ So oder ähnlich war es doch gewesen...
„Stimmt!“ sagte der Uhrmacher. „Sie nannte sich Lamatin.“
„Claire Lamatin?“
„An den Vornamen kann ich mich nicht erinnern.“
Perry schluckte. Jetzt kam die entscheidende Frage. Wäre er weniger aufgeregt gewesen, hätte er aus Ehrmanns seltsamem Benehmen gewiß bestimmte Rückschlüsse gezogen.
Als er es tat, war es zu spät.
„Wenn Sie sich schon nicht mehr an den Vornamen erinnern können, vielleicht fällt Ihnen dann ein, wohin Sie die Uhr nachgeschickt haben?“
„Ja“, nickte der Uhrmacher, der plötzlich eine eigenartige Beklemmung empfand. „Wir haben ihr die Uhr nach München nachgeschickt. Ins Hotel am Hofgarten.“
Um 14 Uhr betrat Perry Clifton das INTERNATIONAL durch die gleiche rückwärtige Tür, durch die er es verlassen hatte. Als ihn der Vornehme von der Rezeption entdeckte, holte er Perrys Schlüssel vom Haken und entnahm dem Fach einen Notizzettel. Mit beidem ging er dem Detektiv entgegen.
„Vielen Dank!“ sagte Perry und nahm Schlüssel und Zettel entgegen. „Ein Mister Burton aus London erwartet Ihren Rückruf!“
Perry sah auf den Zettel. „Anruf 11 Uhr 45, Mr. Burton, London, möchte zurückgerufen werden!“ las er. Er schob die Notiz in die Tasche.
„Sie waren sehr hilfsbereit“, bestätigte er dem Chef der Rezeption. „Ich werde Ihr Haus mit bestem Gewissen weiterempfehlen.“
„Ah, Sie wollen uns verlassen!“ folgerte der Mann im hellbeigen Flanell. „Ja, und zwar wieder durch jene Tür. Ich muß noch heute nach München reisen. Mein Reiseziel sollte allerdings niemand erfahren. Ich bin sicher, daß einige Leute brennend daran interessiert wären.“ (Wie er sich doch irrte!)
„Verstehe! Ich werde inzwischen Ihre Rechnung fertigmachen lassen. Wissen Sie schon, wann und wie Sie Weiterreisen werden?“
Perry Clifton verneinte. „Ich werde bei der SWISSAIR anrufen. Und da ich auch noch einige andere Ferngespräche führen muß, wäre es vielleicht zweckmäßig, noch ein bißchen mit der Rechnung zu warten.“
„Wie Sie wünschen. Rufen Sie bitte herunter, wenn Sie Ihre Gespräche erledigt haben.“
Zuerst rief Perry Clifton die Auskunft an und ließ sich die Nummer des Hotels am Hofgarten in München durchgeben.
Das zweite Ortsgespräch galt dem Büro der SWISSAIR in Basel-Mühlhausen. Er hatte doppeltes Glück: Einmal, daß es noch eine Verbindung, wenn auch mit Umstieg, nach München gab, und zweitens, daß er noch einen Platz buchen konnte. Sorgfältig notierte er sich die Zeiten: 17 Uhr 45 ab Basel, an Zürich 18 Uhr 15. Ab Zürich 19 Uhr 45, an München 20 Uhr 30.
Die Gespräche drei, vier
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