Das geheimnisvolle Gesicht
ich dachte schon, Sie kämen nach London zurück.“ Ihre Stimme klang plötzlich besorgt: „Wird es jetzt gefährlicher?“
„Nicht gefährlicher als bisher.“
„Und was ist mit Mister Skiffer und der Bitte?“
„Er hatte mir einen Zeitplan gegeben, aus dem ich ersehen sollte, wo er telefonisch zu erreichen sei. Durch die Krankheit von Borlowsky ist der Zeitplan jedoch nichts mehr wert. Im Yard sagte man mir, er müsse zu Hause sein, doch dort habe ich ihn nicht erreicht.“
Julie Young hatte begriffen: „Okay, Perry, ich werde es also abwechselnd in seiner Wohnung und bei Scotland Yard versuchen. Was soll ich ihm ausrichten, falls ich ihn erreiche?“
„Haben Sie Schreibzeug zur Hand?“
Clifton hörte ein dumpfes, unverständliches Gemurmel. Offensichtlich hatte Julie die Hand über die Sprechmuschel gelegt. „Jetzt!“ kam es endlich wieder in normaler Lautstärke. Er diktierte: „Zwei, zwei, null, sechs, zwei, fünf!“ Julie wiederholte und schien dabei zu schreiben. „Habe ich!“ verkündete sie. „Was ist das für eine Zahl? Eine Telefonnummer?“
„Das ist die Rufnummer des Münchner Hotels, in dem ich ein Zimmer gebucht habe. Er möchte mich auf alle Fälle dort anrufen!“
„Und ab wann sind Sie unter dieser Nummer erreichbar?“
„Meine Maschine landet um 20 Uhr 30 in München. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich bis zum Hotel brauche. Er soll es ab 21 Uhr 30 versuchen.“
Eine Weile hörte er nur Julies Atem, sie mußte die Sprechmuschel ganz nahe am Mund haben; dann rief sie: „Alles notiert!“
„Fein, dann können wir ja zum privaten Teil übergehen. Wie war der Sonntag bisher?“
„Sonnenschein, Wärme, dazu freundlich und ausgesprochen unterhaltsam. Drei Minuten vor Ihrem Anruf sind wir zurückgekommen...“Im letzten Augenblick biß sich Perry Clifton auf die Zunge. Das „Wer wir?“ hatte schon die äußerste Zungenspitze erreicht.
„So, zurückgekommen“, murmelte er aggressiv.
„Ja, zurückgekommen. Wir waren rudern!“
„Aha, rudern...“
„Warum fragen Sie nicht, mit wem ich rudern war?“ Der Schalk in ihrer Stimme war unüberhörbar. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er Julies Eigenheiten durchschaute. Obgleich es ihn natürlich brennend interessierte, mit wem Julie rudern war, sagte er: „Neugier ist zwar die Pflicht und das Vorrecht aller Kriminalisten und Detektive, aber Sie sind schließlich kein Fall!“
„Schade“, seufzte Julie. „Dann werde ich jetzt mal meinen Ruderer und Beschützer ans Rednerpult lassen.“
Perry hörte Lachen und Geräusche.
„Hallo, Mister Clifton... Können Sie mich verstehen?“ Es hätte nicht viel gefehlt, und Perry hätte sich verschluckt? „Ja, Dicki, was machst du denn bei Julie?“
„Miß Julie hat mich gestern gefragt, ob wir heute, wenn’s schön wäre, Rudern gehen sollten. Und da hab ich natürlich ja gesagt.“
„Natürlich!“
„Na, hätten Sie nicht?“
„Aber klar hätte ich auch ja gesagt. Und, wie war’s?“
„Wunderschön. Drei Hot dogs habe ich gegessen. Und erzählt habe ich auch.“
„Was erzählt?“ Perry ahnte Schreckliches. Im Hintergrund hörte er Julie vor Lachen prusten.
„Na, von Ihnen habe ich erzählt. Zum Beispiel, daß das ganze Haus stinkt, wenn Sie Eier und Speck braten. Aber sonst war es eigentlich nur Gutes... Mister Clifton, denken Sie noch daran?“
„Woran, Dicki?“
„An das Telegramm!“
„Ich denke daran!“
„Fein, ich habe Miß Julie natürlich auch danach gefragt!“ Perry Clifton spürte seinen Kragen eng werden. Ahnungsvoll fragte er: „Wonach, Dicki?“ Doch statt Dickis Antwort hörte er Julies Stimme aus dem Hintergrund rufen: „Jetzt ist’s genug, Dicki.“ Und dann war sie wieder selbst am Apparat: „Feine Freunde haben Sie, Perry, das muß ich schon sagen. Ihr Freund Dicki hat mich so mit Fragen durchlöchert, daß ich eigentlich wie ein Sieb aussehen müßte... Hallo, sind Sie noch da?“
„Ich bin da, schweige und höre zu, was es an Neuigkeiten in Old England gibt!“
„Dann denken Sie aber jetzt zur Abwechslung auch mal an die Telefonkosten.“
„Sie haben recht, Julie! Und was...“ Von London drang Julies Schrei nach Basel. „Vorsicht, Dicki!“ hieß der Schrei, und dann war die Verbindung unterbrochen.
Er legte auf, behielt jedoch die Hand noch auf dem Hörer. Mitten in seine Überlegungen hinein, ob er Julies Nummer noch einmal anwählen sollte, rasselte das Telefon erneut. Er erschrak so sehr, daß seine
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