Das geheimnisvolle Gesicht
Garage...“
„Ist das Hotel am Hofgarten ein großes Hotel?“
„Groß? Na, ein großes Hotel ist das nicht. Aber es liegt sehr günstig, weil es genau im Zentrum ist. Und ruhig ist es, weil es ein Gartenhaus ist!“
„Gartenhaus?“ Perry Clifton konnte sich unter diesem Begriff im Zusammenhang mit einem Hotel nichts vorstellen.
„Na, weil es nicht direkt an einer Verkehrsstraße liegt, sondern nach hinten raus, heißt man es Gartenhaus!“
„Aha...“
Trotz einer Stockung am Max-Weber-Platz erreichten sie das Hotel kurz nach 21 Uhr 10. „Da durch den Torbogen müssen’s gehen!“ erklärte der Fahrer, tippte sich an den nicht vorhandenen Mützenschirm und schob sich die kalte Stummelpfeife wieder zwischen die Lippen.
Perry Clifton durchquerte die Toreinfahrt. Über einen kleinen Vorplatz, der mit fünf PKWs vollgestellt war, ging es zum erleuchteten Hoteleingang. Der Fahrer hatte recht: Obwohl er sich mitten in einer Großstadt befand, glaubte er sich in eine Oase der Stille versetzt. Wie gefiltert drangen die Geräusche der anbrechenden Nacht hierher. Aus irgendeinem geöffneten Fenster wehte Radiomusik in den Hof.
Die Rezeption befand sich nur wenige Meter hinter der Tür. Sie war klein und schmal, ebenso wie der Gang, der zu einer Treppe und zu den übrigen ebenerdigen Räumen führte. Es gab weder ein topfpflanzengeschmücktes Foyer noch eine mit Aquarien ausgestattete Hotelhalle. Alles war klein, eng, jedoch irgendwie zweckmäßig eingepaßt.
Ein älterer, wohlbeleibter, Gemütlichkeit ausstrahlender Herr füllte die winzige Rezeption.
Er telefonierte. „Nein, wir sind voll belegt!“ sagte er zu einem Anrufer, während er Clifton mit der Linken, um Geduld bittend, zuwinkte. Er schien Nachtportier, Empfangschef und „Telefonistin“ in einer Person zu sein.
„Mein Name ist Clifton. Ich hatte von Basel aus ein Zimmer bestellt...
„Herr Clifton, Moment... Sie haben...“ wieder der suchende Zeigefinger. „Sie haben Nummer 9 im ersten Stock. Zimmer mit Dusche!“ Er angelte den Schlüssel vom Haken und wollte Perry Clifton nach oben begleiten, als das Telefon schon wieder zu schnurren begann.
„Ein verrückter Tag heute. Hier, wenn Sie schon in Ihr Zimmer gehen wollen. Die Anmeldung können sie ja später noch ausfüllen... Ja, Hotel am Hofgarten...“
Perry Clifton nickte und ging nach oben.
Er würde die Anmeldung später ausfüllen und dabei gleich nach Claire Lamatin fragen...
Doch es sollte anders kommen.
Es klopfte!
„Herein!“
Der Portier, eine Spur außer Atem, hielt ihm einen Brief entgegen. „Entschuldigen Sie bitte, Herr Clifton. Aber über der Telefoniererei habe ich ganz Ihren Brief vergessen.“
Perry glaubte sich verhört zu haben. „Für mich? Sind Sie sicher?“ Träumte er? Wie lange war es her, daß man ihm schon einmal einen Brief übergeben hatte? Durch die offenstehende Tür drangen aus dem Erdgeschoß Rufe herauf. „Da hören Sie es“, seufzte der Portier, „noch keine Minute bin ich weg.“ Er hatte es eilig. An der Tür drehte er sich um. „Frau Lamatin hat mir ausdrücklich gesagt, daß der Brief für Sie sei. Es steht ja auch Ihr Name darauf!“
Die Tür fiel ins Schloß.
Es stand wirklich sein Name auf dem Umschlag. „Für Perry Clifton!“ Und die Hand, die das geschrieben hatte, war zweifellos eine weibliche gewesen.
War das das Ende des Falles Claire Burton? Oder war es nur eine böse Zwischenstation?
Wie konnte Claire Burton wissen, daß er hierherkommen würde? Daß er hinter ihr her war? Eigentlich gab es dafür nur eine einzige Antwort: Ehrmann! Ehrmann mußte sie informiert haben. Oder gab es noch eine andere Möglichkeit? Natürlich... Er riß den Umschlag auf und las:
„Mister Clifton, ich weiß, daß Sie mich ebenso suchen wie die anderen. Die anderen waren schneller, aber nicht schnell genug. Sie glaubten mich schon zu haben, doch bin ich ihnen noch einmal entwischt. Aber ich brauche dringend Hilfe. Ich habe Angst. Würden Sie mir helfen? Ich werde Ihnen dafür alles sagen.
Ich warte morgen ab 12 Uhr in der Hotel-Pension Leismann in Wien auf Sie. Vernichten Sie diesen Brief sofort. Claire Lamatin München, am 26. März. “
Perry Clifton ließ sich auf das Bett fallen und las den Brief noch ein zweites und drittes Mal. Und er spürte etwas wie Enttäuschung und Zorn. Und Arger. Wenn er auch nicht daran zweifelte, daß diese Zeilen von Claire Burton stammten, so mißtraute er doch dem, was sie
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