Das geheimnisvolle Gesicht
ständiger Gefährdung verbunden. Immer wieder mußte er sich zurückhalten, um nicht zu einem leichtsinnigen Überholmanöver anzusetzen. Dabei kam ihm der Spruch sehr zustatten, den der vor ihm fahrende Wagen (mit einer schottischen Nummer! Man sagt den Schotten nach, sie hingen besonders am Leben.) an seiner Heckscheibe aufgeklebt hatte. Dort stand zu lesen: „Lieber langsam ans Ziel, als schnell in die Hölle!“
Ein bißchen makaber, aber ärgerdämpfend, dachte Perry. Und dann fiel ihm Claire Burton ein, die Frau, die es immer so eilig gehabt haben und jetzt tot sein sollte.
Als er Chatham durchquerte, war es bereits 14 Uhr vorbei, und er wußte, daß ihn nur ein Wunder bis 15 Uhr, wie mit Burton vereinbart, in die Harrington-Street bringen würde. Und da Perry zwar an Glück und Zufälle, jedoch nicht an Wunder glaubte, scherte er aus der endlosen Schlange aus und suchte nach einer Telefonzelle.
Die, die er fand, wurde von einem jungen Pärchen blockiert. Beide hielten die Köpfe eng nebeneinander, damit sie gemeinsam hören konnten, was aus der Muschel kam. Und es schienen äußerst lustige Dinge aus der schwarzen Muschel zu kommen, denn immer wieder kicherte das Mädchen. Der junge Mann an ihrer Seite nahm dieses Kichern jedesmal zum Anlaß, ihr einen Schubs zu versetzen. Die Folge davon war, daß sich ihre Heiterkeit noch vergrößerte. Dann lauschten sie wieder gemeinsam.
Da sie mit dem Rücken zur Tür postiert waren, beschloß er, sich optisch bemerkbar zu machen. Er kannte sich zuwenig in Chatham aus, um mit der Suche nach einer anderen Telefonzelle noch mehr Zeit zu verlieren.
Er nickte ihnen zu, tippte sich zuerst auf den Bauch, dann auf das Glas seiner Armbanduhr und machte die Gebärde des Telefonierens.
Das Mädchen, etwa 15 Jahre alt, reagierte sofort, indem sie den Jungen, der vielleicht ein paar Wochen älter war, in die Seite stieß und dann auf Clifton zeigte. Der jedoch sah ihn an, als sei er der Bestandteil eines Museums, auf dem der Staub von Jahrhunderten lag — und redete weiter ins Telefon. Doch nun schubste das Mädchen. Er fuhr sie an. (Die Mundstellung ließ auf das Wort „Kuh!“ schließen.) Da drückte sie kurz entschlossen die Gabel herunter und brach die Verbindung ab.
„Entschuldigung, Sir!“ sagte sie dann. „Wir hatten Sie zuerst gar nicht gesehen!“ Ihr Partner war wesentlich aggressiver und respektloser: „Jetzt können Sie telefonieren, Opa! Aber vorher verraten Sie mir noch, was Ihre Zeichensprache zu bedeuten hatte?“
„Aber gern, mein Söhnchen...“ Perry Clifton beschloß die im Geist schon erhobene Hand unten zu lassen. „Ich muß meinen Butler anrufen, damit er mir mein Süppchen warmstellt!“
Er war sicher, daß ihn die beiden jetzt für total übergeschnappt hielten, und als er dazu noch mit den Zähnen fletschte, hatten sie es plötzlich sehr eilig. Das Rufzeichen ertönte.
Eine weibliche Stimme meldete sich.
„Hallo?“
„Ich hätte gern Mister Burton gesprochen!“
„Mister Burton hat vor einer halben Stunde das Haus zu einer Besprechung verlassen. Darf ich Sie mit seiner Sekretärin verbinden?“
„Nein, danke. Auf Wiederhören, Miß!“
Perry legte auf. Entweder war Burton auf dem Weg zu seiner Wohnung, oder er hatte sie bereits erreicht.
Er wählte die zweite Nummer — und wollte schon wieder auflegen, als sich Burton selbst meldete.
„Hier spricht Clifton.“ Noch bevor der Makler falsche Rückschlüsse aus seinem Anruf ziehen konnte, sprach er weiter: „Ich werde es nicht rechtzeitig schaffen, Mister Burton. Bitte, warten Sie auf mich. Und legen Sie bitte noch ein paar weitere Fotos Ihrer Schwägerin bereit. Am besten wären Schnappschüsse, die sie so zeigen, wie sie wirklich war!“
„In Ordnung, Mister Clifton!“ Der Detektiv hörte die Erleichterung in Burtons Stimme. „Ich werde alles vorbereiten. Sie klingen so weit weg?“
„Ich rufe aus Chatham an. Es ist ziemlich viel Verkehr von Dover hoch. Also, bis nachher.“
Er legte auf.
Das „Indianergesicht“ Henry Overgaty öffnete.
Es war 15 Uhr 30.
„Guten Tag, Henry! Ich hoffe, es geht Ihnen gut.“
Sollte der Butler je von Cliftons Jovialität überrascht gewesen sein, so verstand er es meisterhaft, diese Überraschung zu verbergen. Er nickte nur höflich und erwiderte ausdruckslos: „Danke der Nachfrage, Sir, es geht mir den Umständen entsprechend.“
„Was ebenso gut wie schlecht bedeuten kann!“
„So ist es, Sir. Sir James erwartet Sie
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