Das geheimnisvolle Gesicht
Ein fähiger Beamter, der einen einzigen — riechbaren, nicht kriminalistischen — Fehler hatte: er priemte.
Borlowksy stammte aus Polen und hatte diese schreckliche Angewohnheit von seinem Vater Jan Borlowsky übernommen, dieser wiederum von Adam Borlowsky, dem Großvater, und so weiter, und so weiter. Wenn man Peter Borlowsky Glauben schenken konnte, sollte oder wollte, dann gingen die Priemkauer im Borlowskyschen Stammbaum bis zu Kasimir dem Großen zurück. Das war natürlich ein ausgemachter Schwindel, da der Tabak, aus dem Priem hergestellt wird, erst um 1560 nach Europa kam, Kasimir der Große dagegen im 14. Jahrhundert auf Erden wandelte. „Hallo, alter Priemonkel, hier spricht Perry Clifton!“
„Hallo, hallo... Der alte Borlowsky freute sich, die Stimme der Konkurrenz zu hören.“
„Ich möchte es kurz machen, Peter. Sagen Sie, ist Scott zufällig in Reichweite?“
„Nein, der ist zum Chef befohlen worden. Aber er muß jeden Augenblick zurückkommen, da ich dringend nach Maidenhead muß und wir für den späten Nachmittag noch Besuch erwarten.“
„Okay, dann sagen Sie ihm bitte, daß ich noch vorbeikomme und ihn unbedingt sprechen möchte.“
„Ich werde es ausrichten!“
„Vielen Dank! Bis zum nächsten Mal. Ich werde mich bei Ihnen mit einer Packung Priem mit Pfefferminzgeschmack revanchieren!“
Mit gespielter Abscheu erwiderte Borlowsky: „Sie sind ein Ferkel, Perry! Pfui! Ich werde dafür sorgen, daß man Ihnen in Polen die Einreise verweigert!“
Es knackte.
Auch Clifton legte auf. Sicher biß sich Peter Borlowsky jetzt ein besonders großes Stück von seiner Priemrolle ab.
Perry hatte längst wieder seinen Platz eingenommen, als Burton seinen Kopf durch die Tür steckte. „Schon fertig?!“ Er trat ein. In der Hand — so sah es von weitem aus — mehrere Bücher und Broschüren. In einem Fall handelte es sich wirklich um ein Buch.
„Hier, Mister Clifton, das habe ich dem Reporter vom LIVE-JOURNAL abgehandelt. Es ist deutsch geschrieben.“ FASNACHT IN BASEL * las Perry Clifton. Das Bild auf dem Schutzumschlag zeigte einen Maskenträger, bei dem die Nase länger war als der Kopf groß.
„Vielleicht können Sie damit was anfangen“, meinte James Burton. „Dann haben Sie hier einen Stadtplan von Basel und einen Hotelführer. Und hier“, er hielt dem Detektiv einen Briefumschlag entgegen, „sind 200 Pfund und 1000 Schweizer Franken als Spesenvorschuß.“
„Sie haben scheinbar an alles gedacht!“ sagte der Detektiv. Jetzt darf nur eines nicht passieren...“ Er machte eine pause, die der Makler zu einem mißtrauischen und raschen: „Und was wäre das?“ nutzte. „... daß unsere Schöne sich inzwischen auf dem Weg zu einem Maskenfest in Tokio befindet. In einem Flugzeug und zwölftausend Meter über der Erde.“
Als Perry Clifton die Bull-Street verließ, war es wenige Minuten nach 17 Uhr. Alle offenen Fragen schienen geklärt. Unvorhergesehene Zwischenfälle sollten per Telefon besprochen und entschieden werden. So war es abgemacht.
In der Buston-Street fiel ihm der hellblaue Ford mit der Lampengalerie zum ersten Mal auf. Er hatte so viele zusätzliche Scheinwerfer am Kühlergrill montiert, als wolle er damit das Wembley-Stadion ausleuchten. Nach drei weiteren Kreuzungen nahm die Vermutung, er werde verfolgt, greifbare Formen an.
Ob er langsam fuhr oder die Geschwindigkeitsmarkierungen übersah: Der hellblaue Ford blieb hinter ihm.
Zur Sicherheit, und da er ein Gegner voreiliger Schlüsse war (siehe seine Theorie vom Zufall), fuhr er eine große Schleife und kehrte über drei Querstraßen in die Conduit-Street zurück. Der Ford hing wie ein Siamesischer Zwilling nach wie vor hinter ihm.
„Na warte!“ dachte Perry Clifton.
Es war nicht das erste Mal, daß er einen Verfolger abhängen mußte. Wenn seine Methoden auch in die Kategorie „Verkehrsübertretungen“ einzustufen waren, so blieben sie doch äußerst wirksam.
Leider war das Licht zu diffus, um Einzelheiten bei den Verfolgern erkennen zu lassen. So konnte Perry nur registrieren, daß es sich um zwei Männer handelte, die sich zudem noch durch übergroße Sonnenbrillen (dabei schien nicht einmal der Mond) unkenntlich gemacht hatten.
Als Ort der Tat sah Perry Clifton die nächste Kreuzung der Lexington-Street vor. Sie war ampelgeregelt und eignete sich hervorragend für sein Vorhaben.
Sein erstes Vergehen bestand darin, daß er ganz plötzlich nach rechts ausscherte, den vor ihm fahrenden roten
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