Das geheimnisvolle Gesicht
viel, daß er noch einmal bei Hollburn & Sohn in der Kings Road anrufen konnte. Doch es meldete sich nur Penelope Ladbrok, die Geschäftsführerin. Perry entschuldigte sich schnell und hängte noch schneller wieder ein. Denn von Julie wußte er, daß Penelope nur im äußersten Notfall zum Telefon griff. So ein Notfall war zum Beispiel, wenn sich außer ihr kein Personal im Geschäft befand.
Geduldig wartete er, bis sein Flug aufgerufen wurde. Als es soweit war, erhob er sich, gleich den anderen Passagieren in der großen Wartehalle, die nach Basel wollten.
Er ahnte nicht, daß ihn ein Augenpaar beobachtete, seitdem er seinen Fuß in das Abfluggebäude gesetzt hatte.
Dieses Augenpaar gehörte einem älteren Mann, der in einem dunklen Wettermantel steckte und der seine flache Mütze weit ins Gesicht gezogen hatte. In ein Gesicht, dessen scharfe, markante Züge an einen aus Holz geschnitzten Indianerkopf erinnerten.
Als Perry Clifton über die Gangway zur Luke der Maschine hinaufstieg, ging der Mann mit schleppenden Schritten und tief eingezogenen Schultern auf den Taxenstand zu. Nur wer genau beobachtete, konnte sehen, daß er das linke Bein ein wenig nachzog...
Zwischen London und Basel
oder
Ein Abenteuer beginnt
Mit knapp fünf Minuten Verspätung rollte der Düsenriese zur Startbahn, wo er nochmals warten mußte.
Perry Clifton, auf einem Fensterplatz im Heck der Maschine, beobachtete amüsiert, wie die Stewardeß durch den Mittelgang schritt und mit strenger Miene prüfte, ob sich jeder Passagier, entsprechend der Vorschrift, angeschnallt hatte. Und er wunderte sich, daß sie ausgerechnet vor der Sitzreihe Halt machte, in der auch er saß. Doch nicht ihm galt ihr Interesse, sondern seinem Nachbarn, einem unglaublich dicken Mann, der schnaufend in einer Zeitung blätterte. „Sir, würden Sie bitte den Gurt schließen!“
Der Dicke sah sie an, sah Perry Clifton an und tippte sich dann auf die imponierende Rundung seines Bauches. Er hatte zwar die beiden Enden des Sicherheitsgurtes in gegenseitige Nähe gebracht, doch klafften zwischen ihnen noch mindestens zehn Zentimeter.
„Ich würde ja, wenn es ginge!“ beteuerte er. „Aber hier muß vorher ein Fakir gesessen haben!“ Obwohl sein Englisch stümperhaft war, hatte ihn die Stewardeß verstanden. „Sie brauchen den Gurt nur zu verstellen, Sir!“
Perry Clifton ging seinem Nachbarn zur Hand, was ihm ein freundliches Nicken der Stewardeß und von links das Angebot einer dicken Zigarre einbrachte.
„Vielen Dank, Sir, aber wenn ich rauche, rauche ich höchstens mal Pfeife.“
Der Dicke packte seine Zigarre ein und widmete sich wieder seiner Zeitung.
Endlich heulten die Motoren auf, ein letztes Mal wurden die Landeklappen probegefahren, dann setzte sich der riesige Vogel in Bewegung, nahm Fahrt auf, noch etwas holprig, dann immer schneller, und das Heulen wurde zum Dröhnen.
Das Rumpeln auf der Betonpiste hörte schlagartig auf und die Fliehkraft preßte sie gegen die Rückenlehnen. Die Maschine hatte abgehoben und schoß in beängstigender Schräglage den dunklen Wolken über London entgegen.
Die Welt unter ihnen begann zu schrumpfen, wurde kleiner und kleiner, bis sie nur noch einer Spielzeuglandschaft glich. Dann war auch das verschwunden. Sekundenlang jagten dunkle Wolkenfetzen an den Fenstern vorbei, bis es plötzlich wieder gleißend hell wurde.
Über ihnen und um sie herum, so weit man sehen konnte, präsentierte sich ein lupenreiner Himmel. Unter ihnen lag eine geschlossene graue Wolkendecke.
Das gleichmäßige Dröhnen der Motoren nistete sich in den Ohren ein und ließ die Geräusche im Inneren der Maschine leiser erscheinen.
Der Dicke neben Clifton schlief bereits, obwohl seine brühwurstähnlichen Finger noch immer die Zeitung hielten. „Aus dem könnte man fast zwei Hamiltons machen“, durchfuhr es Perry Clifton, der seinen Nachbarn auf mindestens drei Zentner schätzte.
Die Maschine hatte inzwischen Reisehöhe erreicht und lag waagerecht in der Luft. Die Stewardessen begannen mit atemberaubender Geschwindigkeit (so kam es Clifton vor) die Fütterung der Passagiere. Es gab den üblichen kleinen Imbiß mit Kaffee oder Tee. (Manche nahmen auch Tomatensaft.) Sein Nachbar, dessen Kopf leicht zur Seite gesunken war und der leise Schnarchtöne von sich gab, hielt mitten im Schnarchen inne. Seine Nasenlöcher blähten sich, und er begann zu schnuppern. „Kaffee!“ murmelten seine Lippen, und er öffnete die Augen.
Weitere Kostenlose Bücher