Das geheimnisvolle Gesicht
gern die beiden Herren aus England besuchen!“ sagte der Mann, der sich Tonin nannte, in einwandfreiem Rätoromanisch.
Frau Pohlmann nickte lächelnd und deutete auf die beiden letzten Türen der linken Gangseite. „Bitteschön, es sind die Zimmer 6 und 7.“ Dr. Tonin, alias Roger Püttely, dankte und wandte sich in die angegebene Richtung. Höflich und zurückhaltend klopfte er an die Tür Nr. 6.
Keine Reaktion.
Er klopfte ein zweites Mal, ein wenig stärker.
Wieder keine Antwort.
Dasselbe an der Tür mit der Nummer 7.
„Herein!“ rief es in Deutsch.
Jack McButton lag auf dem Bett und las in einer Zeitung. Sie war zwar schon vierzehn Tage alt, aber es war immerhin eine englische Zeitung. Mike Forster beschäftigte sich zweifellos damit, das Kreuzworträtsel aus der gleichen Zeitung zu lösen. Auf dem Tisch lagen englisches Kleingeld und ein achtlos zusammengeschobenes Päckchen Spielkarten...
„Was ganz was Neues, Püttely klopft an“, maulte McButton, ohne seine Stellung zu verändern.
„Du wolltest doch schon vor zwei Stunden hier sein!“ erinnerte Forster. Auch seine Laune schien nicht die allerbeste zu sein. Püttely sprach leise, gedrängt und mit seltsam erregter Stimme.
„Erstens bin ich hier Dr. Tonin, zweitens“, er tippte sich gegen die Stirn, „habe ich gearbeitet! Mit dem Kopf!“
„Ich denke, du warst hinter Clifton her?“ staunte McButton, der Auto fahren und Arbeit in diesem Zusammenhang nicht unter einen Hut bringen konnte.
Püttely nickte. „War ich außerdem! Zuerst in Schaffhausen, dann in Biel, Solothurn und Olten. Sie machten eine Spazierfahrt durch die halbe Schweiz.“
„Wer sind ,sie’?“
„,Sie’ waren Clifton, dieser ehemalige Kommissar Gaitner und eine Frau... Ich schätze, daß ihr die Lady sogar kennt. Sie war lang und dürr wie ein Ofenrohr!“
McButton schleuderte die Zeitung zur Seite und sprang mit einem Satz aus dem Bett. „Diese... diese ..rief er laut, voller Zorn und schluckte den Rest widerwillig hinunter, weil Püttely mit einer energischen Bewegung seinen Zeigefinger über den Mund gelegt hatte. Und mit blitzenden Augen fuhr er leise fort: „Kommt her an den Tisch, ich will euch mit dem Ergebnis meiner Denkarbeit vertraut machen.“ Es gab in diesem Zimmer außer dem Bett, dem Schrank und der Waschgelegenheit noch eine kleine Couch, einen runden Tisch und einen Sessel. Gegenüber dem Loderer ein fast fürstliches Asyl.
Püttely begann: „Als ich heute so hinter den dreien herfuhr, ist mir plötzlich eine Idee gekommen. Zuerst erschrak ich, aber dann... je länger ich darüber nachdachte, um so größer wurde meine Gewißheit, daß mein Verstand und meine Logik eigentlich viel mehr wert sind als das, was mir Mills bezahlt. Ich fragte mich nämlich, warum dieser Clifton spazierenfährt? Warum wohl? Warum sucht er nicht nach der Frau? Hört ihr? Dafür kriegt er doch Geld! Dieser Burton bezahlt ihn dafür, daß er sie findet!“ Er holte Luft und fuhr fort: „Nach allem, was ich bisher über diesen Mann erfahren habe, glaube ich nicht, daß der grundlos durch die Gegend gondelt und sich die Landschaft ansieht. Also, warum dann?“
„Hat er auf der Fahrt Zwischenstationen gemacht?“ wollte Forster wissen. Püttely nickte: „Harmlose. Den Rheinfall haben sie sich angesehen. In Biel gegessen, in Solothurn und Olten fotografiert... Nein, auf dieser Fahrt ist nichts passiert... Nur in meinem Kopf hat es fortwährend gearbeitet... Immer weiter! Wir kamen gegen 18 Uhr zurück. Bis 20 Uhr habe ich das Hotel nicht aus den Augen gelassen, aber Clifton ist nicht mehr zum Vorschein gekommen. Und wißt ihr, was das bedeutet?“
„Er wird müde gewesen sein!“ mutmaßte McButton und erntete dafür ein höhnisches Grinsen.
„Oder er wartet auf etwas Besonderes!“
Püttely nickte Forster zu.
„Das ist es! Er wartet auf was Besonderes! Und ich habe weiter nachgedacht... Auf was könnte er warten: auf einen Bescheid etwa? Auf einen Anruf? Einen Besuch? Oder auf was sonst? Ich bin in Gedanken zurückgegangen. Den ganzen gestrigen Tag.“ Seine Augen funkelten triumphierend, und etwas wie Jagdfieber glomm darin. „Und dabei habe ich die Lösung gefunden.“
„Welche Lösung?“ Jack McButton verstand wieder mal kein Wort. Dieses ewige Herumgerede machte ihn ganz krank. Warum sagte Püttely nicht klipp und klar, was er wußte?
„Erinnert ihr euch noch, was ich über das angebliche Diebstahlmanöver gesagt habe?“
„Ja!“ nickte Forster,
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