Das geheimnisvolle Tuch
zu der Tür, aus der die Frau kam, hinter der sich eine Treppe befand, die hinab in den Keller schlängelte. Vorsichtig, lauschend, gingen sie die spiralförmig verlaufenden Stufen hinab.
Unten breitete sich ein Kellergewölbe aus. Sie erschraken und erstaunten zugleich über das Aussehen dieses Raumes, der, durch eigenartige Kristalle erleuchtet wurde und aussah wie eine kleine Kapelle. Nur dass kein Altar mit Engel oder anderen heiligen Symbolen zu erblicken war, sondern die Fratze des Teufels, auf einem mit Diamanten besetzten Sockel. Kerzen erleuchteten drum herum gespenstisch diese Satansanbetung.
Links im Raum befand sich ein Tisch mit Retorten und Reagenzgläser, in denen verschieden farbige Flüssigkeiten brodelten.
Dann gewahrten sie auf einem anderen Tisch eine gefesselte kindliche Gestalt, daneben ein Glas mit einer schwarzen Substanz.
Der Zwerg stieg auf einen Stuhl, der vor dem Tisch stand und beugte sich über den Jungen, der in ihm den Aufseher erkannte und sofort aus Furcht anfing, zu weinen.
„Lass mich mal“, meinte Vinc. „Er hat Angst vor dir. Der weiß ja nicht, dass du ein guter Zwerg bist.“
Gerason sah es ein und gehorchte.
„Was ist los?“, fragte Vinc und versuchte, in seine Stimme einen Vertrauen erweckenden Ton zu bringen.
„Ich soll das Zeug da trinken. Aber ich will nichts von dieser Hexe. Die will mich doch nur vergiften.“ Seine Stimme klang noch weinerlich und er sagte weiter stockend: „Wenn sie wiederkommt, soll ich das ausgetrunken haben. Deshalb hat sie mir den einen Arm frei gelassen. Wenn ich es nicht würde, wolle sie mich töten.“
Vinc nahm das Glas und ging an einen Abfluss und schüttete den Inhalt hinein, dann stellte er es zurück mit den Worten: „So, nun hast du es getrunken.“
Über das Gesicht des Jungen zog sich ein entspanntes Lächeln.
„Du sagtest, die würde wiederkommen? Hat sie auch gesagt, wann?“, fragte der Zwerg.
„Nein.“
Sie mussten damit rechnen, dass sie jederzeit erscheinen konnte. Sie sahen sich nach schützenden Gegenständen um, damit sie sich der Blicke der Frau entziehen könnten. Etwas abseits im Halbdunkel befand sich eine kleine Anrichte, die dafür geeignet schien.
„Wir verleihen ihm ungeahnte Kräfte.“ Der Zwerg sah Vinc an, als fürchte er um dessen Verstand und hörte seine weiteren Worte: „Wir befreien ihn aus den Fesseln und machen das so, als ob er sie zerrissen habe. Außerdem verwüsten wir die ganze Einrichtung hier unten. Die meint doch bestimmt, der Junge habe durch den Trank übernatürliche Kräfte bekommen.“
Gerason blickte zwar noch skeptisch drein, fand diesen Plan dreist, aber doch als einen Ausweg, um den Jungen zu befreien.
So taten sie denn wie geplant.
Nun kam es darauf an, wie die Oberin dies deuten und verkraften würde. Sie versteckten sich hinter der Anrichte.
Sie mochten einige Zeit verharrt haben, als sie die Hexe herunterkommen hörten, die wie angewurzelt stehen blieb, um fassungslos diese Zerstörung anzustarren.
Sie eilte zum Altar und hob die in arge Mitleidenschaft genommene Teufelsfratze auf.
„Verzeiht, mein Herr und Meister, Eurer unwürdigen Dienerin. Ich konnte nicht ahnen, welch eine fürchterliche Wirkung dieser Trank haben würde.“
Voller Ehrfurcht wischte sie über die Fratze und versuchte, sie auf den ebenfalls zerstörten Sockel zu stellen, jedoch beide kippten vollends um und zerschmetterten in tausend Stücke.
Sie eilte zu dem Tisch, auf dem kurz zuvor noch der Junge lag, hob die davor liegenden Stricke auf, betrachtete sie und schüttelte den Kopf, denn sie konnte es nicht fassen, dass ein Kind diese ungeahnten Kräfte hervor brachte.
Sie musste plötzlich Angst bekommen, denn kopflos und verwirrt eilte sie aus dem Keller. Gistgrim war scheinbar bewusst geworden, dass sie in großer Gefahr schwebte, zumal ein Kind, das diese Verwüstung anrichtete, auch sie angreifen und umbringen könne. Sie atmeten in ihrem Versteck auf. Es hieß jetzt so schnell wie möglich zu verschwinden, denn es könnte ja sein, sie holte von irgendwo Hilfe.
Sie mieden die Treppe, denn zu groß war die Gefahr, ihr in den Weg zu laufen.
„Kommt mit!“, befahl Gerason.
Er lief mit ihnen weiter in das Gewölbe. Dann blieb er stehen und deutete nach oben. „Ich weiß noch, hier muss irgendwo eine Luke sein“, meinte er „Ich war lange nicht hier unten, aber einen Ausgang gibt es. Wir hatten hier unten Weinfässer gelagert, und da es gefährlich ist, hier zu verweilen,
Weitere Kostenlose Bücher