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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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College. Da sie zum
erstenmal seit dem Erdbeben zu ihnen gingen, konnten sie
erstaunt feststellen, daß der einzige von der Katastrophe
gänzlich unberührt gebliebene Ort in ganz Chile diese alte
Schule war, in der niemand von dem Unglück Notiz nahm.
Sang- und klanglos gingen die zehntausend Toten an ihr
vorüber, während die Schüler englische Lieder sangen, Kricket
spielten und sich nur über die Nachrichten ereiferten, die mit
drei Wochen Verspätung aus England kamen. Verblüfft sahen
die zwei Frauen, daß die Zwillinge, die mit arabischem und
spanischem Blut in den Adern im hintersten Winkel Amerikas
geboren worden waren, Spanisch mit Oxfordakzent sprachen
und keine Gefühlsbewegung mehr zu äußern vermochten außer
Erstaunen, das sie durch Heben der linken Auge nbraue
andeuteten. Von den ausgelassenen und verlausten Bengeln, die
den Sommer auf dem Land verbracht hatten, hatten sie nichts
mehr.
    »Ich hoffe, daß dieses angelsächsische Phlegma euch nicht zu
Idioten macht«, stammelte Clara, als sie sich von ihren Söhnen
verabschiedete.
    Durch den Tod der Nana, die trotz ihres hohen Alters während
der Abwesenheit ihrer Herrschaft die Verantwortung für das
große Eckhaus getragen hatte, waren die Angestellten außer
Kontrolle geraten. Unbeaufsichtigt, wie sie waren, ließen sie die
Arbeit Arbeit sein und verbrachten den Tag in einer Orgie von
Siesten und Klatschgeschichten, während die Pflanzen im
Garten verdorrten, weil sie nicht gegossen wurden, und in allen
Winkeln Spinnen herumliefen. Die Verwahrlosung war so
offensichtlich, daß Clara beschloß, das Haus zu schließen und
alle Dienstboten zu entlassen. Sie breitete mit Bianca Bettücher
über alle Möbel und streute überall Naphthalin aus. Einen um
den ändern öffnete sie die Vogelbauer, und der Himmel füllte
sich mit Sittichen, Kanarienvögeln, Distelfinken und
Christusvögeln, die geblendet von der Freiheit mit den Flügeln
schlugen und endlich in alle Richtungen auseinanderflogen.
Bianca vermerkte, daß während der ganzen Plackerei kein
einziges Gespenst hinter den Vorhängen erschien, kein
Rosenkreuzer, von seinem sechsten Sinn geleitet, kam, auch
kein von Hunger getriebener Poet. Ihre Mutter schien sich in
eine gewöhnliche Dame vom Land verwandelt zu haben.
»Sie haben sich sehr verändert, Mama«, bemerkte sie.
»Nicht ich, Tochter. Die Welt hat sich verändert«, antwortete
Clara.
    Ehe sie das Haus verließen, gingen sie in das Zimmer der
Nana im Dienstbotenhof. Clara öffnete die Schubladen, holte
den Pappkoffer hervor, den die gute Frau ein halbes Jahrhundert
lang benutzt hatte, und sah ihre Schränke durch. Außer ein
wenig Wäsche und ein Paar alten Alpargatas war da nichts als
Schachteln jeglicher Größe, mit Schnüren oder Gummibändern
geschlossen, in denen sie Erstkommunions- oder Taufbildchen,
Haarlocken, abgeschnittene Nägel, vergilbte Fotografien und ein
Paar abgetragene Babyschuhe aufbewahrte. Es waren
Erinnerungen an alle Kinder del Valle, und später der Trueba,
die sie auf ihren Armen getragen und an ihrer Brust gewiegt
hatte.
    Unter dem Bett lagen, in ein Bündel geschnürt, die
Verkleidungen, die die Nana zum Austreiben der Stummheit
benutzt hatte. Auf dem Bett sitzend mit all diesen Schätzen im
Schoß, weinte Clara lange um diese Frau, die ihr Leben geopfert
hatte, um den anderen das Leben bequem zu machen, und die
allein gestorben war.
»So lange hat sie mich zu erschrecken versucht, nun ist sie
selber vor Schreck gestorben«, bemerkte Clara.
    Sie ließ die Leiche in das Mausoleum der del Valle auf dem
katholischen Friedhof überführen, in der Annahme, daß es der
Nana mißfallen hätte, zwischen Protestanten und Juden
begraben zu sein, und daß sie es vorgezogen hätte, auch im Tode
neben denen zu ruhen, denen sie ein Leben lang gedient hatte.
Sie legte ihr einen Strauß Blumen aufs Grab und ging mit
Bianca zum Bahnhof, um auf die Drei Marien zurückzukehren.
    Während der Fahrt berichtete Clara ihrer Tochter über alle
Neuigkeiten in der Familie und den Gesundheitszustand ihres
Vaters. Sie wartete darauf, daß Bianca die Frage stellte, von der
sie wußte, daß es die einzige war, die sie interessierte, aber
Bianca erwähnte Pedro Tercero nicht, und Clara wagte es nicht,
es zu tun. Sie lebte mit der Vorstellung, daß Probleme sich
materialisierten, wenn man sie bei Namen nannte, und sich dann
nicht mehr ignorieren ließen, daß sie aber mit der Zeit von selbst

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