Das Geisterhaus
verschwinden konnten, wenn man sie im Limbus der ungesagten
Worte festhielt. Am Bahnhof erwartete sie Pedro Segundo
García mit dem Wagen, und Bianca war erstaunt, ihn während
der ganzen Fahrt zu den Drei Marien pfeifen zu hören, denn der
Verwalter stand in dem Ruf, ein stiller Mann zu sein.
Als sie ankamen, saß
Esteban Trueba in einem blauen
Plüschsessel, dem man Fahrradräder anmontiert hatte in
Erwartung des Rollstuhls, der in der Hauptstadt bestellt worden
war. Mit energischen Stockschwüngen und Flüchen leitete er
den Bau des Hauses und war so vertieft, daß er die beiden
Frauen nur mit einem zerstreuten Kuß empfing und vergaß, sich
nach der Gesundheit seiner Tochter zu erkundigen.
Am Abend saßen sie beim Schein einer Petroleumlampe an
einem rohen Holztisch. Bianca sah ihre Mutter das Essen auf
irdenen Tellern servieren, die auf dem Gut hergestellt wurden,
weil das gesamte Porzellangeschirr beim Erdbeben zerbrochen
war. Ohne die Nana, die früher den Oberbefehl über die Küche
geführt hatte, waren die Trueba zu einem bis zur Frugalität
vereinfachten Lebensstil übergegangen: es gab nur noch dicke
Linsensuppe, Brot, Käse und Quittenbrot, weniger als das, was
Bianca an mageren Freitagen im Internat zu essen bekam.
Sobald er wieder auf seinen Beinen stehen könne, sagte Esteban,
werde er selbst in die Hauptstadt fahren und die feinsten und
teuersten Sachen kaufen, um sein Haus einzurichten, er habe es
satt, wegen dieser verdammten hysterischen Natur in diesem
vermaldeiten Land wie ein Bauer zu leben. Von allem, was bei
Tisch gesprochen wurde, behielt Bianca nur, daß ihr Vater Pedro
Tercero entlassen hatte, mit dem Befehl, das Gut nicht mehr zu
betreten, weil er ihn erwischt hatte, als er kommunistische Ideen
unter die Bauern brachte. Sie wurde blaß, als sie es hörte, und
verschüttete den Löffel Suppe auf das Tischtuch. Nur Clara
bemerkte ihre Erregung, denn
Esteban war vertieft in seinen
alten Monolog über diese undankbaren Kreaturen, die die Hand
beißen, die ihnen zu essen gibt, »und schuld an allem sind diese
vermaledeiten Politikaster! Wie dieser Hampelmann, dieser
neue Kandidat der Sozialisten, der die Frechheit besitzt, in
seinem klapprigen Wahlzug von Norden nach Süden durchs
Land zu fahren und mit seinem bolschewistischen Gewäsch
friedliche Leute aufzuwiegeln, aber er soll sich hüten, hierher zu
kommen! Wenn er aus seinem Zug aussteigt, machen wir
Musbrei aus ihm! Wir sind schon gerüstet, denn es gibt keinen
Gutsbesitzer in der ganzen Gegend, der anderer Meinung ist.
Wir werden nicht zulassen, daß sie kommen und gegen die
ehrliche Arbeit predigen, gegen gerechte Bezahlung für die, die
etwas leisten, und den Lohn für solche, die im Leben
vorankommen wollen, es geht doch nicht, daß die Faulen das
gleiche haben wie wir, die wir von morgens bis abends arbeiten
und uns darauf verstehen, Kapital zu investieren, das Risiko zu
tragen und die Verantwortung zu übernehmen. Genaugenommen
fällt das Märchen, daß die Erde dem gehört, der sie bearbeitet,
auf die zurück, die es erfunden haben, denn hier bin ich der
einzige, der arbeiten kann, ohne mich war das alles nichts als
eine Wüste und wäre es noch, nicht einmal Christus hat gesagt,
daß wir die Frucht unserer Arbeit mit den Faulen teilen müssen,
und dieser Scheißbengel, Pedro Tercero, erdreistet sich, das auf
meinem Gut zu sagen. Ich habe ihm nur deshalb keine Kugel
durch den Kopf gejagt, weil ich seinen Vater schätze und seinem
Großvater sozusagen das Leben verdanke, aber ich habe ihn
gewarnt: wenn ich ihn herumstreichen sehe, schieße ich ihn zu
Brei.«
Clara hatte an der Unterhaltung nicht teilgenommen. Sie war
damit beschäftigt, das Essen zu bringen und wieder abzutragen
und dabei aus den Augenwinkeln ihre Tochter zu beobachten,
aber als sie die Schüssel mit dem Rest Linsensuppe abtrug, hörte
sie die letzten Sätze der Litanei ihres Mannes.
»Du wirst es nicht hindern, daß sich die Welt verändert,
Esteban. Wenn nicht Pedro Tercero, bringt ein anderer die neuen
Ideen auf die Drei Marien«, sagte sie.
Esteban schlug mit dem Stock auf die Suppenschüssel, die
seine Frau in den Händen hielt, daß die Scherben flogen und
sich der Inhalt auf den Boden ergoß. Bianca sprang entsetzt auf.
Es war das erste Mal, daß sie die Mißlaunigkeit ihres Vaters
gegen Clara gerichtet sah, und sie dachte, ihre Mutter würde wie
sonst in ihre Schlafwandlertrance verfallen und
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