Das Geisterhaus
Bedürfnis
nach ihrer Liebe. Mein Verlangen nach ihr hatte seit damals, als
ich sie heiratete, nicht abgenommen, ich wollte sie ganz, bis in
ihre letzten Gedanken besitzen, aber diese ätherische Frau ging
wie ein Hauch an mir vorüber. Selbst wenn ich sie mit beiden
Händen festhielt und brutal umarmte, konnte ich sie nicht
einfangen. Als sie Angst vor mir bekam, wurde unser Leben
zum Fegefeuer. Tagsüber war jeder mit seinen Arbeiten
beschäftigt. Wir hatten beide viel zu tun. Wir sahen uns nur
beim Essen, und dann war ich es, der redete, während sie in den
Wolken zu schweben schien. Sie sprach kaum noch und hatte
dieses frische und verwegene Lachen verloren, das mir früher so
an ihr gefiel, nie mehr warf sie den Kopf zurück, um aus vollem
Hals zu lachen. Kaum daß sie noch lächelte. Ich dachte, das
Alter und mein Unfall hätten uns auseinandergebracht, das
Eheleben langweile sie, das passiert schließlich allen Paaren,
und ich war nun mal kein feinfühliger Geliebter, keiner von
denen, die immerzu Blumen schenken und hübsche Dinge
sagen. Aber ich habe versucht, mich ihr zu nähern. Wie ich es
versucht habe, mein Gott! Ich erschien in ihrem Zimmer, wenn
sie über ihren Lebensnotizheften oder an ihrem dreibeinigen
Tisch saß. Selbst diese Seite ihres Lebens habe ich mit ihr zu
teilen versucht, aber sie mochte es nicht, daß ich in ihren Heften
las, und wenn sie sich mit ihren Geistern unterhielt, brachte
meine Anwesenheit sie um die Inspiration, so daß ich es
aufgeben mußte. Meine Tochter war von klein an sonderbar und
nie das liebevolle und zärtliche Mädchen, das ich mir gewünscht
hatte. Sie sah wirklich wie ein kleines Gürteltier aus. Solange
ich mich besinnen kann, war sie mir gegenüber widerborstig,
einen Ödipuskomplex brauchte sie nicht zu überwinden, weil sie
nie einen hatte. Sie war immer schon eine Señorita gewesen,
klug und reif für ihr Alter, und sie hing sehr an ihrer Mutter. Ich
dachte, sie könnte mir helfen, und versuchte, sie als Verbündete
zu gewinnen, ich machte ihr Geschenke und alberte mit ihr
herum, aber auch sie ging mir aus dem Weg. Jetzt, wo ich alt bin
und darüber sprechen kann, ohne vor Wut den Kopf zu
verlieren, glaube ich, daß ihre Liebe zu Pedro Tercero García an
allem schuld war. Bianca war unbestechlich. Nie hat sie um
etwas gebeten, sie sprach noch weniger als ihre Mutter, und
wenn ich sie zwang, mir einen Kuß zu geben, tat sie es so
widerwillig, daß es mich schmerzte wie eine Ohrfeige. »Alles
wird anders, wenn wir wieder in der Hauptstadt sind und ein
zivilisiertes Leben führen«, sagte ich damals, aber weder Clara
noch Bianca zeigten die mindeste Neigung, die Drei Marien zu
verlassen. Im Gegenteil, sooft ich darauf zu sprechen kam, sagte
Bianca, das Landleben habe sie gesund gemacht, aber sie fühle
sich noch nicht stark genug, und Clara erinnerte mich daran, daß
es auf dem Gut noch viel zu tun gab und wir die Dinge nicht
halbfertig liegenlassen könnten. Meine Frau vermißte das
Raffinement, an das ich sie gewöhnt hatte, nicht, und als eines
Tages die Möbel und der Hausrat ankamen, die ich ohne ihr
Wissen bestellt hatte, beschränkte sie sich darauf, alles sehr
hübsch zu finden. Ich selbst mußte angeben, wo die Sachen
hingestellt werden sollten, sie schien das nicht im mindesten zu
kümmern. Das neue Haus wurde mit einem Luxus eingerichtet,
den es nie gekannt hat. Es kamen große, handgeschnitzte Möbel
im Kolonialstil in heller Eiche und Nußbaum, schwere
Wollteppiche, Lampen aus gehämmertem Eisen und Kupfer.
Handgemaltes englisches Prozellan, einer Botschaft würdig, ließ
ich aus der Hauptstadt kommen, Kristallgläser, vier Kisten voll
Nippes, Bettwäsche und Tischtücher aus reinem Leinen, eine
Sammlung Schallplatten mit klassischer und
Unterhaltungsmusik und dazu ein modernes Grammophon. Jede
Frau wäre hingerissen gewesen und hätte Monate damit
zugebracht, ihr Haus herzurichten, nur nicht Clara, die für diese
Dinge keinen Sinn hatte. Sie beschränkte sich darauf, ein paar
Frauen als Köchinnen und einige Mädchen, Töchter von
Hintersassen, für den Dienst im Haus anzulernen, und kaum sah
sie sich von Kochtöpfen und Besen befreit, vertiefte sie sich in
ihren Mußestunden wieder in ihre Lebensnotizhefte und ihre
Tarotkarten. Den größten Teil des Tages war sie in der
Schneiderwerkstatt, der Krankenstation und der Schule
beschäftigt, und ich ließ sie machen, denn für sie waren das
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