Das Geld - 18
Staatsrat, den Vicomte de Robin-Chagot, der zahm und knauserig war und eine vortreffliche Unterschriftenmaschine abgab. Als Sekretär wurde kein Mitglied des Verwaltungsrates genommen, sondern ein Angestellter der Bank, der Leiter der Emissionsabteilung. Und als die Nacht in dem großen strengen Zimmer hereinbrach, ein grünliches Dunkel von unendlicher Traurigkeit sich ausbreitete, hielt man die getane Arbeit für gut und ausreichend und trennte sich, nachdem man zwei Sitzungen monatlich beschlossen hatte: der kleine Verwaltungsrat sollte am 15., der große am 30. zusammentreten.
Saccard und Hamelin stiegen gemeinsam in den Zeichensaal hinauf, wo Frau Caroline schon auf sie wartete. An der Verlegenheit ihres Bruders merkte sie gleich, daß er wieder einmal aus Schwäche nachgegeben hatte, und einen Augenblick war sie darüber sehr verärgert.
»Aber hören Sie mal, das ist doch unvernünftig!« rief Saccard. »Denken Sie an die dreißigtausend Francs, die der Präsident einstreicht, eine Summe, die sich noch verdoppeln wird, sobald sich unsere Geschäfte ausweiten. Sie sind nicht so reich, daß Sie diesen Vorteil verschmähen könnten … Und was befürchten Sie denn, sagen Sie es doch?«
»Ach, ich befürchte alles«, antwortete Frau Caroline. »Mein Bruder wird nicht da sein, und ich verstehe nichts vom Geld … Sehen Sie, diese fünfhundert Aktien, die Sie für ihn gezeichnet haben, ohne daß er sie sofort bezahlt – nun, ist das nicht unkorrekt, macht er sich nicht strafbar, wenn das Unternehmen schiefgeht?«
Saccard fing an zu lachen.
»Du liebe Güte, fünfhundert Aktien, eine erste Einzahlung von zweiundsechzigtausendfünfhundert Francs! Wenn er das nicht in sechs Monaten bei der ersten Gewinnausschüttung zurückerstatten kann, dann ist es besser, wir springen gleich in die Seine und machen uns nicht erst die Mühe, irgend etwas zu unternehmen … Nein, Sie können unbesorgt sein, die Spekulation verschlingt nur die Ungeschickten.«
Sie blieb ernst. Im Zimmer wurde es immer dunkler, und man holte zwei Lampen, so daß die Wände, die großen Pläne, die farbenfrohen Aquarelle, die sie so oft von den Ländern dort unten träumen ließen, in helles Licht getaucht wurden. Noch war die Ebene kahl, Gebirge versperrten den Horizont, und sie beschwor die große Not dieser alten Welt, die auf ihren Schätzen schlief und die die Wissenschaft aus ihrem Schmutz und ihrer Unwissenheit erwecken sollte. Wie viele große und schöne gute Dinge waren zu vollbringen! Nach und nach zeigte ihr eine Vision neue Generationen, eine stärkere und glücklichere Menschheit sproß aus dem alten Boden, den der Fortschritt aufs neue pflügte.
»Die Spekulation, die Spekulation«, wiederholte sie mechanisch, von Zweifeln hin und her gerissen. »Ach, mir ist so bang ums Herz!«
Saccard, der ihren üblichen Gedankengang gut kannte, hatte von ihrem Gesicht diese Hoffnung auf die Zukunft abgelesen.
»Ja, die Spekulation. Warum haben Sie Angst vor diesem Wort? Die Spekulation gibt dem Leben doch erst seinen Reiz, sie ist das ewige Begehren, das zu kämpfen und zu leben zwingt … Wenn ich einen Vergleich wagen dürfte, könnte ich Sie überzeugen …«
Er lachte wieder, denn er wollte ihr nicht zu nahe treten. Doch als ein Mann, der sich vor Frauen gern brutal gibt, wagte er seinen Vergleich dann trotzdem.
»Schauen Sie, glauben Sie denn, daß man ohne … wie soll ich es sagen? ohne Ausschweifung viele Kinder zeugen würde? Auf hundert ungezeugte Kinder kommt kaum eines, das man zustande bringt. Das Übermaß bringt das Notwendige hervor, nicht wahr?«
»Gewiß«, antwortete sie verlegen.
»Nun gut! Ohne die Spekulation, meine liebe Freundin, könnte man keine Geschäfte machen … Warum, zum Teufel, soll ich mein Geld herausrücken, mein Vermögen aufs Spiel setzen, wenn Sie mir nicht einen außergewöhnlichen Genuß versprechen, ein plötzliches Glück, das mir den Himmel öffnet? Mit dem gesetzlich erlaubten mäßigen Entgelt für die Arbeit, dem vorsichtigen Abwägen der täglichen Transaktionen ist das Dasein eine Einöde von unvorstellbarer Plattheit, ein Sumpf, in dem alle Kräfte schlafen und vermodern; aber lassen Sie einen Traum am Horizont hell aufflammen, versprechen Sie hundert Sous Gewinn für einen Sou, bieten Sie all diesen Schlafmützen an, auf die Jagd zu gehen nach dem Unmöglichen, nach den Millionen, die sie unter schrecklichsten Wagnissen in zwei Stunden erobern können – dann beginnt das Wettrennen, die
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