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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Tür.
    »Warum verlangen Sie von mir nicht Aktien für sich selbst?« fuhr er fort, weil er sie verletzen wollte.
    Mit ihrer lispelnden scharfen Stimme, die so spöttisch klang, gab sie zur Antwort:
    »Oh, das ist nicht meine Art, Geschäfte zu machen … Ich warte noch.«
    Und in dieser Minute, da er die abgewetzte große Ledertasche erblickte, die sie immer mit sich herumtrug, überlief ihn ein Schauder. Sollte an dem Tage, wo alles nach Wunsch gegangen war, wo er so glücklich war, daß endlich das so heiß begehrte Kreditinstitut das Licht der Welt erblickte, diese alte Spitzbübin die böse Fee sein, die ihren Zauberspruch über die Prinzessinnen in der Wiege murmelt? Er spürte, daß diese Tasche, die sie in die Räume seiner im Entstehen begriffenen Bank mitgebracht hatte, mit entwerteten Papieren und vom Kurszettel gestrichenen Aktien gefüllt war; er glaubte ihre Drohung zu verstehen, so lange zu warten, wie nötig wäre, um seine Aktien darin zu begraben, wenn das Haus zusammenbrach. Das war das Krächzen des Raben, der mit der Armee zum Marsch aufbricht, ihr bis zum Abend des Gemetzels folgt, über dem Schlachtfeld schwebt und niederfährt, weil er weiß, daß es einen Leichenschmaus geben wird.
    »Auf Wiedersehen, Herr Saccard«, sagte die Méchain tonlos und sehr höflich und ging.
     

Fünftes Kapitel
    Einen Monat später, in den ersten Tagen des November, war die Einrichtung der Banque Universelle noch nicht beendet. Tischler arbeiteten noch an den Täfelungen, Maler verkitteten die letzten Teile des riesigen Glasdaches, das den Hof überdeckte.
    Schuld an dieser Verzögerung hatte Saccard; unzufrieden mit der Kärglichkeit der Ausstattung, zog er die Arbeiten durch seine Forderungen nach größerem Luxus in die Länge. Und weil er nicht die Mauern zurückschieben konnte, um seinen ewigen Traum von Größe zu befriedigen, war er am Ende verärgert und wälzte die Aufgabe, die Unternehmer endlich loszuwerden, auf Frau Caroline ab. Sie überwachte nun also die Aufstellung der letzten Schalter. Es gab deren ungewöhnlich viele, rings um den in eine Schalterhalle verwandelten Hof: strenge und würdige vergitterte Schalter, oben mit schönen Kupferschildern versehen, auf denen in schwarzen Lettern die Hinweise standen. Insgesamt hatte man für die Einrichtung trotz der ein wenig beengten Räumlichkeiten eine glückliche Lösung gefunden: im Erdgeschoß die Abteilungen, die den ständigen Publikumsverkehr bewältigen mußten, die verschiedenen Kassen, die Emissionsabteilung, alle laufenden Bankgeschäfte, und oben gewissermaßen der innere Mechanismus, Direktion, Korrespondenz, Buchhaltung, Streitsachen und das Personalbüro. Alles in allem waren dort auf so engem Raum mehr als zweihundert Angestellte beschäftigt. Und was schon beim Eintreten auffiel, sogar mitten im Hämmern der Arbeiter, die die letzten Nägel einschlugen, während das Gold auf dem Boden der Wechselgeldschalen klirrte, war jene Atmosphäre von Strenge, von alter Ehrbarkeit, ein unbestimmter Sakristeigeruch, der zweifellos von der Örtlichkeit herrührte, von diesem feuchten, dunklen alten Palais, das schweigend im Schatten der Bäume des benachbarten Gartens stand. Man hatte das Gefühl, ein Haus, in dem Gottesfurcht und Rechtschaffenheit herrschten, zu betreten.
    Eines Nachmittags, als Saccard von der Börse zurückkam, hatte er selbst diese Empfindung und war überrascht. Das tröstete ihn über die fehlenden Vergoldungen hinweg. Er bekundete Frau Caroline seine Zufriedenheit.
    »Na, immerhin! Für den Anfang ist das ganz nett. Man fühlt sich hier geborgen wie in einer richtigen kleinen Kapelle. Später werden wir weitersehen … Ich danke Ihnen, meine verehrte Freundin, für die Mühe, die Sie sich geben, seitdem Ihr Bruder fort ist.«
    Und da es sein Grundsatz war, die unvorhergesehenen Umstände zu nutzen, sann er seitdem auf Mittel und Wege, diesen strengen Charakter des Hauses weiterzuentwickeln; er verlangte von seinen Angestellten, wie junge Priester aufzutreten, die die Messe lesen, man sprach nur noch mit gedämpfter Stimme, man bediente die Kunden an den Kassen mit einer Diskretion wie in einer Kirche.
    Nie in seinem so stürmischen Leben hatte sich Saccard mit soviel Tatendrang verausgabt. Am Morgen saß er schon um sieben Uhr, noch ehe alle Angestellten da waren und der Bürodiener Feuer gemacht hatte, in seinem Arbeitszimmer, um die Post durchzusehen und die dringendsten Briefe zu beantworten, Dann folgte bis elf Uhr ein

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