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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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endloser Galopp, die Freunde und die angesehenen Kunden, die Wechselmakler, die Kulissenmakler, die Remisiers, der ganze Schwarm der Finanzwelt, ganz zu schweigen vom Vorbeimarsch der Abteilungsleiter des Hauses, die ihre Weisungen einholten. Sobald er selbst einen Augenblick Ruhe hatte, erhob er sich und machte einen raschen Inspektionsgang durch die verschiedenen Abteilungen, wo die Angestellten in beständiger Furcht vor seinem plötzlichen Erscheinen lebten, weil er zu ganz unterschiedlichen Zeiten auftauchte. Um elf Uhr ging er hinauf, um mit Frau Caroline zu speisen; er aß und trank ausgiebig mit dem Behagen eines mageren Mannes, der davon keine Beschwerden bekommt. Und die geschlagene Stunde, die er dazu brauchte, war nicht verloren, denn das war der Augenblick, da er, wie er sagte, seiner verehrten Freundin die Beichte abnahm, das heißt, sie um ihre Meinung über die Menschen und die Dinge befragte; nur wußte er aus ihrer großen Weisheit meistens keinen Nutzen zu ziehen. Um zwölf Uhr verließ er das Haus und ging zur Börse, weil er als einer der ersten dort sein wollte, um zu sehen und zu plaudern. Übrigens spekulierte er nicht offen, sondern fand sich dort nur wie zu einem zwanglosen Treffen ein, bei dem er mit Sicherheit den Kunden seiner Bank begegnen würde. Allerdings deutete sich schon sein Einfluß an, er war als Sieger dorthin zurückgekehrt, als starker Mann, der sich von nun an auf echte Millionen stützen konnte; die Schlauköpfe steckten die Köpfe zusammen, wenn sie ihn sahen, flüsterten einander erstaunliche Gerüchte zu und prophezeiten seine königliche Macht. Gegen halb vier war er stets wieder zu Hause und machte sich an die langweilige Arbeit des Unterschreibens; er war auf das mechanische Dahingleiten der Hand so trainiert, daß er während des Schreibens seine Angestellten kommen lassen, Antworten geben, Geschäfte erledigen und mit klarem Kopf Gespräche führen konnte. Bis sechs Uhr empfing er noch Besuche, beendete die tägliche Arbeit und bereitete alles für den nächsten Tag vor. Dann ging er wieder zu Frau Caroline hinauf, um diesmal ein noch reichlicheres Mahl als um elf Uhr einzunehmen, erlesenen Fisch und vor allem Wild, wozu er sich Burgunder, Bordeaux oder Champagner munden ließ, je nachdem wie gut der Tag verlaufen war.
    »Sagen Sie bloß, ich bin nicht brav!« rief er zuweilen lachend aus. »Anstatt den Frauen nachzulaufen, in die Klubs und die Theater zu gehen, lebe ich hier bei Ihnen fast wie ein braver Spießbürger … Das müssen Sie Ihrem Bruder schreiben, um ihn zu beruhigen.«
    Er war gar nicht so brav, wie er vorgab, denn er stellte zu dieser Zeit einer kleinen Sängerin von der Opéra Comique nach und hatte sich sogar eines Tages bei Germaine Cœur vergessen, bei der er kein Vergnügen fand. Die Wahrheit war, daß er am Abend vor Müdigkeit umfiel. Im übrigen lebte er in einem solchen Verlangen nach Erfolg, in solcher Angst darum, daß seine anderen Begierden dadurch gleichsam gemindert und gelähmt wurden, solange er sich nicht als Sieger, als unangefochtener Herr des Reichtums fühlen konnte.
    »Ach was!« antwortete Frau Caroline heiter. »Mein Bruder ist immer so brav gewesen, daß das Bravsein für ihn ein natürlicher Zustand und kein Verdienst ist … Ich habe ihm gestern geschrieben, daß ich Sie bewogen habe, das Sitzungszimmer des Verwaltungsrates nicht neu vergolden zu lassen. Das wird ihm mehr Freude bereiten.«
    An einem sehr kalten Nachmittag in den ersten Novembertagen, als Frau Caroline gerade dem Malermeister die Anweisung gab, die Malereien in diesem Sitzungszimmer einfach abzuwaschen, überreichte man ihr eine Visitenkarte mit dem Bemerken, die betreffende Person wolle sie unbedingt sprechen. Die schmutzige Karte trug in schlecht gedruckten Lettern den Namen Busch. Sie kannte diesen Namen nicht und ließ den Mann in das Arbeitszimmer ihres Bruders führen, wo sie zu empfangen pflegte.
    Wenn Busch sich seit bald sechs langen Monaten geduldete und seine außergewöhnliche Entdeckung von einem unehelichen Sohn Saccards nicht ausnutzte, so geschah das zunächst aus den Gründen, die er geahnt hatte; bloß die sechshundert Francs für die der Mutter unterschriebenen Wechsel aus Saccard herauszuholen war ihm ein zu mageres Ergebnis, andererseits war es aber äußerst schwierig, mehr von ihm zu erpressen, eine vernünftige Summe von ein paar tausend Francs. Wie sollte man einem verwitweten, aller Fesseln ledigen Mann, den der Skandal kaum

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