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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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wäre, einen Spezialisten aufzusuchen, um die bösen Geister auszutreiben, und sie wollte dem Einar von Einarsstadir schreiben, einem Medium und Geistheiler, und ihn bitten, sich darum zu kümmern, dass Baddi von dem Trunksuchtteufel befreit würde. Und Fía fuchtelte mit den Armen, wie sie dort im Mantel und Galoschen am Küchentisch saß, und sagte, dann wolle sie auch an Einar von Einarsstadir schreiben; – bei dir ist man doch immer an der richtigen Stelle,
liebe Lína! Und wie schreibt man ihm?, sagt man ihm etwas Besonderes?
    Uroma sagte: – Pfui, man sagt nichts Besonderes; ich bitte einfach den Ásmund hier, dass er das auf seiner Maschine schreibt, Baddis Namen, und wo er wohnt und so einiges, und dann steckt man tausend Kronen in den Umschlag.
    Fía ließ den Unterkiefer bis zum Kinn hinunterfallen.
    – Tausend Kronen?
    – Ja, glaubst du, so was kostet nichts, fragte die Wahrsagerin und atmete hörbar durch die Zähne aus.
    – Doch … Aber tausend Kronen? Fía schwieg einen kurzen Moment. Dann sagte sie:
    – Aber wenn du dem Einar von Einarsstadir schreibst und ihn für den Baddi beten lässt, glaubst du, das kostet zusätzlich, ihn gleich für Hermann mitbeten zu lassen?
     
    Manni war auf der Jagd nach Erzählstoff. Immer schien er etwas Großes in Arbeit zu haben, und jedes Mal, wenn ich in sein Zimmer kam, schaffte er es, mich sehen zu lassen, wie er äußerst heimlich einen großen Stapel handgeschriebener Blätter in der Schreibtischschublade verschwinden lassen musste.
    – Was hast du gemacht?, frage ich darauf forsch. – Nichts, sagt er, – war nur so am Überlegen mit ein paar Klein…–Warst du am Schreiben?! – Ja, also eigentlich nicht …
    Trotzdem waren »einige Projekte im Gange«. Alles blutrünstiges Grauen und sittlicher Verfall. Er träumte davon, an einen Tatort zu kommen, an dem sich jemand am besten mit einer Schrotflinte den Kopf vom Rumpf geschossen hatte. Noch besser als Erster einen Ort nach einem Massenmord mit Verstümmelungen zu erreichen. Er begann, wissenschaftliche Schriften über die Menschenopfer irgendwelcher entarteter Glaubensgemeinschaften
zu sammeln, Berichte über geistesgestörte Sexualverbrecher. Einmal erzählte er, er habe ein Projekt am Laufen über einen hochgestellten und angesehenen Beamten, der tagsüber ein unbescholtener Bürger der Stadt war, am Abend in einem Schwulenclub Urinsexspiele betrieb und in der Nacht, nur mit einem Mantel bekleidet, splitternackt durch die Gärten schlich und kleine, unschuldige Jungen zu sich lockte. Ich musste mir allerlei Vorlesungen zu diesem Thema anhören. Manni redete sich heiß und heißer und versenkte sich um so tiefer in diese ekelhaften Nachforschungen, um so normaler er Monat für Monat selber wurde. Vielleicht gewährten ihm die Sünden der Fantasie Ersatzbefriedigung? Er trat in einen Radioamateurclub ein und sagte mir, das sei, um den Funkverkehr der Polizei abhören zu können; so würde er die Möglichkeit haben, als Erster an einem Unfallort zu sein, als Erster den frischen Schauplatz eines Mordes zu betreten. All das nur zu Forschungszwecken.
    Ich weiß nichts davon, dass es ihm tatsächlich gelungen wäre, auf die Polizeifrequenz zu kommen, wahrscheinlich konnte er sich die Anschaffung der Geräte, die man dazu gebraucht hätte, nicht leisten. Dagegen begann er, in der Nacht allein in der Stadt herumzulungern, alle Blaulichter und heulenden Sirenen zu verfolgen, und manchmal schaffte er es, im Halbdunkel einen Blick auf die leichenblassen Gesichter von Männern mit Herzinfarkten zu erhaschen, die auf Bahren aus dem Haus und in den Krankenwagen getragen wurden. Hinter ihnen Frauen mittleren Alters mit bestickten Taschentüchern vor den Nasen. Der Dichter blinzelt im matten Licht der Sommernacht um die Ecke, reibt sich die Hände vor Glück und eilt nach Hause zum Schreibtisch, das Thema seiner Dichtung frisch in allen Nerven seines Körpers.

     
    Dann wurde eines Herbstmorgens bei mir geklopft, die ganze Hütte noch in Dunkelheit gehüllt, die Zeit kurz nach sieben, und ich schleiche ziemlich erschreckt und in Erwartung des Schlimmsten zur Tür. Durch das Fenster sehe ich, es ist nur der Manni, mit rotem Gesicht ganz aufgedreht, das Morgenblatt wie zu einem Prügel zusammengedreht in der einen Hand, mit dem er in die Handfläche der anderen schlägt. Ich öffne und sage nichts, wickle nur den Morgenmantel enger um mich und gehe in die Küche. Er kommt schweratmend herein, taktfeste Schläge, mit

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