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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einar Kárason
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sich das Haar aus dem Gesicht und richtete sich ein bisschen her, und ich sah, dass er nicht sehr ernsthaft zu Schaden gekommen sein konnte.
    Dann begann er, in seinen Taschen zu kramen, aber es stellte sich heraus, dass sie völlig leer waren. Geld, Feuerzeug, Uhr, sogar das kleine Adressbuch war verschwunden. Aber das war vielleicht kein so großer Verlust, denn offensichtlich war er am
wütendsten darüber, sein Zippo-Feuerzeug verloren zu haben. Verdammte Schweine, mir mein Feuerzeug zu stehlen, lallte er bitter und zornig vor sich hin. – Wer denn?, fragte ich. – Wer denn? Was ist passiert? Da versuchte er, mir die Geschichte zu erzählen, drei Männer griffen ihn an. – Ich ganz wosch, däng, will bäng, aber fall nach hintenüber, und total wosch und dann ein Fuß wie ein Pferdetritt, verfluchte Banditen.
    Dann kam die Polizei, zwei kräftige, große Kerle in kurzärmligen, hellblauen Hemden, die Pistolen am Halfter baumelnd, und die Mützenschirme glänzten. Sie versuchten, einen Bericht zu schreiben, und verhörten Bóbó, mit geduldigem, aber so ein wenig weltmüdem Gesichtsausdruck, zumal Bóbó immer noch mehr oder weniger verwirrt war; erzählte die gleiche Geschichte, die er mir erzählt hatte, zwar zum größten Teil auf Englisch, aber mit den gleichen malerischen Lauten als Hauptmotiv der Erzählung wie zuvor. Manni und ich versuchten, den wirren Bericht zu ergänzen, warfen hier und dort ein paar Worte ein, vom Verlauf unserer Reise und anderes, bis alles völlig durcheinander war und wir alle gleichzeitig irgendwelche zusammenhanglosen Äußerungen machten. Und da wurden die Polizisten noch weltmüder, sahen einander mit gequältem Blick an, hoben die Hand an den Mützenschirm und baten uns, am nächsten Tag auf die Station zu kommen und einen genaueren Bericht abzugeben, vielleicht auch das Familienalbum bei ihnen durchzusehen. Bóbó redete noch immer vor sich hin und zeigte gerade mit einer kleinen Pantomime, wie er sich gedreht hatte, um sich zu schützen, aber Manni und ich hörten zu, was sie sagten, irgendwann morgen auf die Station kommen, am besten zwischen zwölf und vier. Aber den Polizisten schien es trotzdem zweifelhaft, ob sie sich darauf verlassen könnten, dass wir dies verstanden hätten, sie schrieben ihre Anordnung auf ein Blatt und gaben es uns, damit es kein Missverständnis gab.
Dann verabschiedeten sie sich und gingen zur Tür, aber als sie die Tür hinter sich zuzogen, bemerkte Bóbó, dass sie dabei waren zu gehen, und er rief ihnen nach, – hey, hey, aren’t you listening? Sie sahen sich kurz um, zuckten dann die Schultern und gingen.
    Nun war es ausgeschlossen zu schlafen, wir waren irgendwie so aufgeregt und angespannt. Wir versuchten, Bóbó zu untersuchen, ob er sich am Kopf, Hals, Rücken oder den Armen einen Bruch zugezogen hätte, aber dafür gab es keine Anzeichen. Manni genoss bei uns allen großes Vertrauen als Wunderheiler, nach der ausgezeichneten Behandlung, bei der er Baddis Arm einrenkte; er bekam die Erlaubnis, an Bóbós Gliedern zu ziehen und ihn von oben bis unten abzuklopfen, und verkündete dann als Ergebnis, dass dies nicht besonders ernst sein konnte. Bóbó war immer noch völlig verwirrt und warf alles durcheinander, versuchte, den Ablauf der Ereignisse zu beschreiben, während er zwischendurch immer wieder fragte, warum wir auf einmal verschwunden waren, und regelmäßig unterbrach er die Erzählung mit den Worten, er wolle keinen Doktor Schiwago. Dann wurde er langsam müde, und die Lider fielen ihm zu, und er murmelte seine Rede schräg hinunter ins Kissen, bis er verstummte.
     
    Wahrscheinlich befiel Manni und mich das Gefühl, dass wir ein bisschen klein und allein in der Welt waren, um so dramatische Ereignisse zu bewältigen, denn wir fühlten, dass wir jemanden anrufen und Bescheid geben müssten, dass alles in Ordnung, alles gutgegangen sei. Als ob das jemanden interessierte. Wir erwogen gerade, zur Rezeption hinunterzugehen, um zu telefonieren, aber da hörte man Bóbó, der mit geschlossenen Augen dalag, murmeln: – Was ist denn an dem Telefon hier kaputt? Zweifelnd nahm ich den altertümlichen Hörer von
dem Apparat auf dem Schreibtisch, aber er funktionierte: Ich bat den Mann in der Lobby, der antwortete, mich mit Omas Nummer im Mobilhome zu verbinden. Es war zwar halb sechs Uhr morgens, aber ich ließ mich dadurch nicht abhalten, ließ meine Stimme wichtig klingen, und bald hörte man den Verbindungston aus dem Hörer. Es

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