Das Generationenschiff
wenn wir gewinnen, werdet ihr nicht mehr hier unten leben, geschmacklosen Brei essen und Bilgenwasser trinken müssen. Es wird wieder eure Welt sein. Euer Leben! Eure Freiheit!«
Der stämmige Mann, der ihr vorhin schon aufgefallen war, zuckte die Achseln und trat neben Coris. »Es macht keinen Unterschied, Coris. Sie sind hinter ihr her und damit hinter uns. Wahrscheinlich werden sie wieder Gas einsetzen. Ich helfe ihr.«
»Ich auch!«
Er blieb nicht der einzige. Coris sah flüchtig in. die Runde, zuckte die Achseln und grinste.
»Ich hätte dir da oben gleich die Kehle durchschneiden sollen«, sagte er und wies mit dem Kinn in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Aygar knurrte, aber Sassinak brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen. »Du hast Recht, Coris. Wenn du dir eine Bedrohung vom Hals schaffen willst, mach es sofort. Das nächste Mal weißt du Bescheid.«
Man kann keinen Krieg führen, wenn man keinen Schlachtplan hat, hatte einer der Kommandeursausbilder betont. Aber man kann verlieren, selbst wenn man einen hat. Sassinak fand das nicht im mindesten hilfreich, als sie ihre zerlumpte Armee durch die Tunnel bis an die Grenze ihres Territoriums hetzte. Sie hatte keinen anderen Plan, als zu überleben, und sie wußte, daß das nicht genügte. Sie wollte den Parachandri finden und … Und was? -Es juckte ihr in den Fingern, ihn zu würgen und das Geständnis aus ihm herauszupressen. Aber würde das etwas nützen? Für den Prozeß gegen Tanegli war es sicher nicht nötig. Selbst wenn sie und Aygar es nicht zurück schafften, lagen genug Beweise vor, um den alten Schwerweltler zu überführen. Was den Status von Ireta anging, so bezweifelte sie, daß irgendein Gericht, das nicht aus Thek bestand, es wagen würde, die Vorherrschaft der Thek in Frage zu stellen, die bereits in den offiziellen Dateien anerkannt war.
Offizielle Dateien, auf die ein mächtiger Parchandri Zugriff haben könnte. Sie stolperte fast, als sie darüber nachdachte. Konnte man sich denn auf nichts verlassen? Sie sah sich unter ihren neuen Kameraden um und schüttelte den Kopf. Jedenfalls nicht auf diese Menschen, die mit Flottenmarines denkbar wenig gemein hatten. Man mußte anerkennen, daß sie so lang überlebt hatten. Aber konnten sie in einem echten Kampf bestehen?
Vor ihr wurden einige gepfiffene Signale gewechselt. Die Gruppe wurde langsamer und drückte sich an die Tunnelwände. Sassinak fragte sich, ob der Kampf jetzt beginnen würde, aber es stellte sich heraus, daß sie die Grenze ihres Territoriums erreicht hatten. Sie ging mit Coris nach vorn, um die andere Gruppe zu begrüßen. Zu ihrer Überraschung zeigten ›ihre‹ Leute die Haltung von Soldaten. Sie schienen ein Ziel zu haben, und die anderen waren sichtlich beeindruckt.
»Was gibt’s?« fragte der Anführer der anderen Bande. Er war in ihrem Alter oder etwas älter und hatte ein breites, völlig vernarbtes Gesicht. Sein Blick war auf etwas neben ihr gerichtet, und viele Zähne fehlten. So auch ein Finger.
»Samizdat.« Es war die vereinbarte Antwort.
»Wessen Freundin?«
»Fleurs. Und Coris’.«
»He, hoffen wir, daß du wirklich Fleurs Freundin bist. Wir werden das überprüfen. Hast du auch einen Namen, Fleurs Freundin?«
»Sassinak.«
Er riß die Augen auf. »Fleur läßt nach dir suchen. Und die Polizei auch. Was hast du gemacht, häh?«
»Nicht alles, was du gehört hast, und manches, von dem du nichts weißt. Hast du auch einen Namen?«
Er grinste darüber, wurde aber schnell wieder ernst. »Ich bin Kelgar. Jeder kennt mich. Ich bin zweimal erwischt worden und sehr vorsichtig. Ich hatte Glück und habe mich zweimal aus der Sklaverei befreit.« Er machte eine Pause, und sie nickte. Sie konnte nichts dazu sagen, nur anerkennen, daß er ebenso schlechte Erfahrungen gemacht hatte wie sie. »Komm mit! Wir werden sehen, was sie sagt.«
»Ist sie hier unten?«
»Manchmal geht sie in den Untergrund, obwohl sie’s nicht so nennt. Allerdings hält sie sich ziemlich weit oben auf, ein ganzes Stück von hier, und dazwischen liegen zwei andere Territorien. Wir kämpfen doch nicht, oder?« Diese Frage war an Coris gerichtet, der beschwichtigend die Hand hob.
»Wir sind gute Kinder«, sagte er.
»Wie immer«, erwiderte Kelgar. »Wir werden schon sehen, was wir davon haben.«
Diesmal ging er voran, und Sassinak folgte mit Coris’ Gruppe. Sie merkte gleich, daß Kelgar nicht ganz richtig im Kopf war, aber wenn er paranoid war, dann auf eine clevere Weise.
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