Das Generationenschiff
die Zeugen galten, und betonte, daß er jede Störung sofort durch die Gerichtsdiener ahnden lassen würde, ›zum Schaden der Sache, zu der die betreffende Person oder die Personen sich äußern wollten, soweit sich das feststellen läßt‹.
Ganz anders als vor Militärgerichten, dachte Sassinak. Sie hatte vor einem Militärgericht noch nie ungebührliches Verhalten erlebt.
Ein weiteres Mal wurde die Namensliste verlesen, die Datenleitungen aller Delegierten zum Podium und die Stimmenanzeigen aller Delegierten und Richter überprüft. In dieser Zeit, dachte Sassinak, hätten wir einen ganzen Prozeß über die Runde gebracht.
Schließlich verlas der Vorsitzende die Tagesordnung, in der der Prozeß gegen Tanegli aufgeführt wurde als ›In Sachen Föderation Empfindungsfähiger Spezies gegen einen gewissen Tanegli, und im Zusammenhang damit die Frage nach dem Status auf dem Planeten Ireta geborener Kinder von Föderationsbürgern.
Sassinak spürte Aygars Erregung. In dem Moment, als der Vorsitzende die Tagesordnung verlesen hatte, stand einer der mit Perücke und Robe bekleideten Juristen auf. Dabei schien es sich um den renommierten Verteidiger zu handeln, der überall der ›rosige Vigal‹ genannt wurde, ein zurückhaltender älterer Mann, der den Beinamen ›rosig‹ kaum verdiente. Wie Sassinak allerdings von dem eifrigen Kommentator hinter ihr erfuhr, hatte der Spitzname nichts mit seinem Äußeren zu tun, sondern mit seinem Schlußplädoyer in einem Fall, den er vor vielen Jahren gewonnen hatte. Die lange und ausführliche Erklärung erregte schließlich die Aufmerksamkeit eines Gerichtsdieners, der seinen Stab in Richtung der Gäste schüttelte und den Störenfried sofort zum Schweigen brachte.
Ein formaler juristischer Disput folgte, in dessen Verlauf der Verteidiger und der Chefankläger sich mit unverhohlener Unaufrichtigkeit der Sachkenntnis des jeweils anderen beugten und die Richter knapp ihre Meinungen äußerten, wenn sie gefragt wurden. Vigal wollte das Verfahren gegen seinen Klienten wegen Meuterei, Gewaltanwendung, Mord, Verschwörung und so weiter von allen Diskussionen über die Ansprüche der auf Ireta Geborenen abtrennen, vor allem weil jüngste Hinweise dafür sprachen, daß der ungesunde Einfluß des Planeten oder seiner Biosphäre für sein Verhalten verantwortlich sein könnten. Und diese Hinweise waren noch so neu, daß der Prozeß vertagt werden sollte, bis die Verteidigung Zeit gehabt hatte, ihre Stichhaltigkeit zu prüfen.
Der Ankläger bestand darauf, daß das Schicksal der eingeborenen Iretaner und des Planeten selbst nicht losgelöst von den Verbrechen Taneglis und der anderen Verschwörer betrachtet werden könne. Die Verteidigung beharrte darauf, daß aufgezeichnete Zeugenaussagen nicht ausreichten und nicht als Beweise zugelassen werden durften, während die Anklage sich nicht davon abbringen ließ, daß sie zulässig seien.
Während der ganzen Diskussion saß Tanegli zusammengesackt neben seinem Anwalt und bewegte kaum den Kopf.
Dieses langweilige und völlig überflüssige Ringen um Formalien schien sich noch eine Weile hinziehen zu wollen. Sassinak hatte wieder Zeit, sich zu fragen, wo die anderen steckten. Von Dupaynil wußte sie wenigstens ungefähr, wo er sich aufhielt, aber was war mit Ford? Sie hatte keinen Zweifel, daß Ford, wenn er sich auf einem Seti-Schiff befunden hätte, das Kommando übernommen und rechtzeitig zum Prozeß eingetroffen wäre. Wo war er nur? Er hätte weitere Verstärkung heranschaffen sollen. Bisher harte Sassinak lediglich Schwerweltler gesehen, die Insystem-Uniformen der Föderation trugen.
Und Lunzie? Hatte sie es von Diplo nicht bis hierher geschafft? War ihr dort etwas zugestoßen? Oder hier? Aygar konnte heute berichten, was er von den Schwerweltlern, bei denen er aufgewachsen war, erfahren hatte, und das würde einige Anschuldigungen mit Sicherheit bekräftigen. Aber wenn es um die eigentliche Meuterei ging, wurden Lunzie oder Kai oder Varian gebraucht.
Trotz ihrer Besprechungen im lokalen Flottenhauptquartier und im Büro des Chefanklägers hatte Sassinak noch nicht ganz verstanden, wie dieser Fall verhandelt werden sollte und wessen Entscheidung am meisten ins Gewicht fiel. Ein Fall wie dieser paßte in keine der gängigen Kategorien, selbst wenn sie berücksichtigte, daß Juristen ihn in einem ganz anderen Licht sahen als sie. Für solche Menschen war es keine Frage von falsch oder richtig, von Schuld oder Unschuld, sondern ein
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