Das Generationenschiff
ablenken, wie unwahrscheinlich seine Befehle waren. Im Moment sah er jedenfalls verwirrt aus, und das war gut so.
»Hier!« Sassinak zeigte auf die Daten, die sie auf dem Bildschirm festgehalten hatte. »Das letzte Mal, als ich diesen und zwar genau diesen vierteiligen Initialisierungscode gesehen habe, hat mich jemand niedergeschlagen und in eine Evakuierungskapsel gesteckt. Wenn Sie meinen, daß Sie dasselbe mit mir machen können, Major, daß Sie mich ausschalten und mein Schiff übernehmen können, muß ich Sie schwer enttäuschen!« Sie konnte den Zorn in ihrer Stimme hören, und auf der Brücke herrschte völlige Stille.
»Ich … Commander Sassinak, es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wovon Sie reden. Der Code ist mir bekannt, ja. Er stammt aus dem Büro des Generalinspekteurs, aber …«
»Ich mag keine Geheimniskrämerei auf meinem Schiff, Dupaynil! Es gefällt mir überhaupt nicht, wenn Junioroffiziere FTL-Nachrichten erhalten, auf die der Captain keinen Zugriff hat. Vor allem, wenn es verschlüsselte Nachrichten sind. Ich mag’s nicht, wenn Leute sich über meinen Kopf hinweg ans Büro des Generalinspekteurs wenden. Was haben Sie zu meckern, häh?«
Sie hatte das Gefühl, daß Dupaynil nicht so schockiert war, wie er aussah. Dafür war er viel zu gescheit. Aber er reagierte auf ihren offensichtlichen Ärger und hatte einen Teil seiner glatten Selbstsicherheit eingebüßt. »Commander, das Büro des Generalinspekteurs könnte Gründe haben, warum es sich nach der Arbeit erkundigen will, die ich hier im Auftrag des Sicherheitsdienstes geleistet habe. Sofern nichts anderes vorliegt …« Er senkte die Stimme. Sassinak beruhigte sich ein wenig.
»Es gefällt mir trotzdem nicht«, brummte sie, aber etwas leiser. Drüben an der Waffensteuerung unterdrückte jemand ein Husten und erstickte fast von der Anstrengung. »Naa gut. Ich verstehe, was Sie meinen, und nach dem, was Lunzie gesagt hat, war die ganze Sache geheim. Vielleicht gibt es einen Grund. Aber ich mag keine Geheimnisse. Nicht zu einer Zeit, wenn wir alle …« Sie ließ den Satz unbeendet. Dupaynils Lider erschlafften leicht. War er überzeugt? »Nehmen Sie Ihre verdammte Nachricht entgegen, und wenn Sie mir nicht unbedingt Kopfschmerzen bereiten wollen, dann sagen Sie mir, was so wichtig ist, daß nicht einmal ich es lesen darf.«
Dupaynil trat an den Entschlüsselungscomputer und gab sein Paßwort ein.
Sassinak wandte sich dem Kommunikationsoffizier zu und sagte: »Übernehmen Sie. Und sorgen Sie dafür, daß ich von allen ein- und ausgehenden Nachrichten erfahre. Ganz gleich, an wen sie gerichtet sind.« Die letzte Bemerkung war mit einem Seitenblick auf Dupaynil verbunden.
Der Sicherheitsoffizier starrte auf den Bildschirm, als seien ihm Tentakel gewachsen. Sassinak unterdrückte einen Impuls, ihn auszulachen. Er warf ihr einen scharfen, berechnenden Blick zu, und sie reagierte sofort darauf.
»Und? Sollen Sie mich in Ketten legen oder was?«
Er schüttelte den Kopf und seufzte. »Nein, Commander, nichts dergleichen. Es ist … einfach nur seltsam. Können wir in Ihrem Büro sprechen? Unter vier Augen?«
Sassinak nickte und verließ die Brücke mit einem letzten finsteren Blick, der allen galt. Sie konnte die Unterstützung ihrer Mannschaft – ihrer eigenen Mannschaft -wie eine warme Decke um die Schultern spüren. In ihrem Büro achtete sie darauf, daß der Schreibtisch zwischen ihr und Dupaynil stand. Dupaynil hob die Brauen, verstand die Distanzierung und seufzte noch einmal.
»Captain, ich schwöre Ihnen …«
»Machen Sie sich keine Umstände.« Sassinak warf einen flüchtigen Blick auf den Ausdruck, den er ihr hinhielt, und sah ihm dann fest in die dunklen Augen. »Wenn Sie nicht wissen, worüber ich rede, dann wissen Sie’s eben nicht. Aber ich kann dergleichen nicht ignorieren. Es hat mich vor zwanzig Jahren fast das Leben gekostet.«
»Es tut mir leid. Wirklich. Aber so wie Sie gerade unangenehme Befehle erhalten haben, so habe ich eben den unangenehmen Befehl erhalten, daß ich dieses Schiff verlassen muß – und weitere Befehle, die noch seltsamer sind als Ihre.«
»Tatsächlich? Und wo werden Sie eingesetzt?« Sie sah, daß ihr frostiger Ton Dupaynil zusammenzucken ließ. Es konnte ihr kaum gleichgültiger sein, wo er eingesetzt wurde, solang sie nur einen potentiellen Verräter loswurde.
»Bei den Seti – bei den Sek von Fomalhaut, um genau zu sein. Ich fürchte, da rächt sich eine meiner früheren Sünden.
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