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Das Generationenschiff

Das Generationenschiff

Titel: Das Generationenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey , Elizabeth Moon
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Freundin von Tante Q. kannte, so oft sie sich mit Vater auch über sie unterhalten hatte. Hatte sie nicht gewußt, daß Arielle Tante Q.s Freundin war? Oder hatte es sie nicht interessiert? Er versuchte dahinterzukommen und spürte eine zunehmende Wirrnis im Kopf. Er blinzelte, um seinen Blick zu klären, und bemerkte, daß Tante Q. ihn mit geschützten Lippen ansah.
    »Du fühlst dich wieder krank.« Es war keine Frage. Er widersprach nicht; er fühlte sich tatsächlich wieder krank. Besuche von Verwandten sollten eigentlich unterhaltsam sein. Es wurde erwartet, daß man sich ihre Geschichten anhörte und Material für neue Geschichten lieferte, die sie weitererzählen konnten. Es wurde nicht erwartet, daß sie in luxuriös eingerichteten Zimmern unelegant zusammenbrachen und die Luft mit schlechten Gerüchen verpesteten.
    Er bemerkte jetzt erst, daß er vom Stuhl seitlich auf den Boden gefallen war. Es war eine Schande. Sie sprach es nicht aus, und es war auch nicht nötig. Er wußte es. Er lag da, erinnerte sich daran, daß er atmen sollte und wünschte sich verzweifelt, wieder auf der Zaid-Dayan zu sein, wo ihn jemand auf die Krankenstation gebracht, wo das Diagnosegerät binnen Minuten festgestellt hätte, was mit ihm nicht stimmte und was zu tun war, und wo eine schroffe, aber fähige Mannschaft von Flottenmedizinern seine Behandlung überwacht hätte. Und Sassinak, die auf ihre Art vitaler war als Tante Q. in ihren wildesten Momenten, hätte ihn besucht und wäre nicht beleidigt hinausmarschiert. Mit der verrückten Klarheit eines Kranken erinnerte er sich an die juwelenbesetzten Zierschleifen auf Tante Q.s Schuhspitzen, als sie sich aus dem Stuhl stemmte, abwandte und hinausging.
    Diesmal kam er im Bett wieder zu Bewußtsein, aber mit dem Gefühl, daß sich über ihm ein katastrophaler Streit abspielte. Er hatte überall Schrammen, und seine Haut zuckte unter der Berührung des Bettzeugs zusammen. Der Raum zwischen seinen Ohren, wo sein Geist lautlos vor sich hinarbeiten sollte, schien von leisem Knistern erfüllt zu sein, ein Gefühl, das er vor fünf Jahren schon einmal gehabt hatte, als er unter einem Anfall von Plahr-Fieber litt.
    »Ich versichere Ihnen, Sam, daß Madames Neffe meiner Heilkräfte bedarf.« Diese affektierte Stimme konnte nur Madame Flaubert gehören.
    Ford versuchte die Augen zu öffnen, aber ihm fehlte die Kraft. Er hörte etwas quietschen und einen Kleiderstapel rascheln.
    »Seine Aura verrät die Natur seine Krankheit: sie wurzelt im spirituellen Sitz seiner dunkelsten Sünden. Durch Studien und Gebete bin ich gerüstet, damit fertigzuwerden. Ich brauche Ruhe, Frieden und darf auf keinen Fall gestört werden. Sie können jetzt gehen.«
    Ford bemühte sich verzweifelt, die Augen zu öffnen, etwas zu sagen, aber er konnte nicht einmal zucken. War er irgendwie hypnotisiert worden? Hatte man ihm eine paralysierende Droge verabreicht? Panik durchfuhr ihn, aber nicht einmal das lockerte seine Muskeln. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, daß er hier, in einer luxuriösen Kabine auf einer Privatjacht, umgeben von reichen alten Frauen und ihren Dienern, tatsächlich sterben könnte. Er konnte sich keinen schrecklicheren Tod vorstellen.
    Im selben Moment, als er dies dachte, spürte er eine feiste, feuchte Hand auf seiner Stirn. Spitze Fingernägel bohrten sich ein wenig in die Haut seiner rechten Schläfe. Ihm fiel eine Vision aus seinem Alptraum wieder ein: eine schuppige Klaue, die ihm Begriff war, ihm das Schädeldach wegzureißen. Der Duft von Madame Flauberts Kölnischwasser vermischte sich mit dem eingebildeten Geruch eines zähnestarrenden Reptilienmauls. Er wollte würgen und konnte sich nicht rühren.
    »Sie können jetzt gehen«, wiederholte sie, irgendwo neben seiner linken Schulter. Offensichtlich war Sam nicht gegangen; Ford hoffte inständig, daß er bleiben würde, aber er konnte nicht einmal einen Zeh rühren, um ihm ein Zeichen zu geben.
    »Tut mir leid, Madame«, sagte Sam, und es klang eher wie ein fester Entschluß als wie eine Entschuldigung. »Ich glaube, es ist für uns alle besser, wenn ich bleibe.« Er sprach es auf eine Weise aus, daß Ford sich wünschte, er könne lächeln. Es schwang ein Unterton von unerschütterlicher Rechtschaffenheit mit, als sei er davon überzeugt, daß Madame Flaubert Bescheid gewußt hatte – was sie vielleicht ihren außergewöhnlichen Talenten verdankte. Als Ford an ihre Hände auf seinem Körper dachte, fuhr er tatsächlich

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