Das Genesis-Unternehmen (German Edition)
Einschätzung ist mir sehr wichtig.«
»Nennen Sie mich Gwen«, sagte sie. Tom nickte dankend. Dann drehte sie sich um und setzte ihren Kontrollgang durch das Lager fort.
Ihre langen braunen, gelockten Haare trug sie zu einem Knoten zusammengebunden. Eine lange Strähne fiel ihr ins Gesicht. Der junge Arzt erinnerte sie daran, wie sie sich damals nach dem Studium in den Kopf gesetzt hatte, ins Ausland zu reisen. Um sich dort für bedürftige Menschen einzusetzen. Ja, sie war schon immer ein bisschen eine Idealistin gewesen.
Ihr Medizinstudium in London schloss sie damals als Klassenbeste ab und erhielt dann gleich ein gutes Angebot von einem renommierten Londoner Krankenhaus. Doch das schlug sie aus. Ihre Studienkollegen verstanden die Welt nicht mehr, aber ihre Eltern nickten nur, als sie ihnen von ihrer Entscheidung erzählte.
Kein Wunder. Ihr Vater war selber oft für das Königreich im Ausland unterwegs. Als Offizier der britischen Army leitete er zahlreiche Einsätze in Bosnien, auf den Falklandinseln oder in Sierra Leone. Dort lernte er auch ihre Mutter kennen, die in einem Lager in Sierra Leone für eine britische Hilfsorganisation als Krankenschwester arbeitete. Bei einem Gefecht in der Nähe des Lagers kümmerte sich ihr Vater um den Schutz der Flüchtlinge und der ausländischen Helfer. Und so begegneten sie sich zum ersten Mal.
Wie so oft der Job der Eltern einen maßgebenden Einfluss auf die Berufswahl der Kinder hat, setzte sich auch Gwen schon sehr früh in den Kopf, eines Tages im Ausland zu helfen. Deshalb wunderten sich ihre Eltern Linda und Thomas nicht, dass sie sich für ein Medizinstudium einschrieb. Ihre Mutter meinte, sie komme ganz nach ihrem Vater. Immer voll und ganz um den Schutz der Bedürftigen besorgt.
Sie wuchs in London als Einzelkind auf und war körperlich schon immer die Größte unter ihren Spielkameradinnen. Mit einigen ihrer damaligen Gefährtinnen hatte sie auch heute noch engen Kontakt. Manche von ihnen sah sie regelmäßig, wenn sie wieder mal in London war. Allerdings war sie seit ihrer Ankunft im Sudan nicht mehr zu Hause gewesen.
Während sie in ihren Gedanken schwelgte, kam einer der Ärzte auf sie zu.
»Gwen«, rief Frank, der winkend auf sie zueilte. Er trug wie sie auch einen weißen Kittel.
Aufgeregt meint e er zu ihr: »Wir bekommen Besuch. Sieht nach Ärger aus. Sie sollten schnell kommen, Gwen.«
Er drehte sich um und sie folgte ihm mit zügigen Schritten durch das Lager. Frank führte sie quer hindurch zum Haupteingang. Auf dem Weg dorthin gab Frank den anderen Ärzten winkend zu erkennen, dass sie auch gleich mitkommen sollten.
Vor dem Lager angekommen , stand schon eine Gruppe beisammen und blickte Richtung Osten. Als Gwendolyn zu ihnen stieß, sah sie den Grund für die Aufregung. Etwa fünfzehn Geländefahrzeuge und Lastwagen fuhren direkt auf ihr Lager zu. Hinter sich zogen sie eine dichte Staubwolke her.
›Das kann nichts Gutes bedeuten‹, dachte sie sich. Wenn ein größerer Konvoi unterwegs war, dann gehörten sie entweder zur Regierung oder zu den Rebellen. Und mit beiden gab es in der Regel Ärger.
Gespannt darauf, wer auf sie zufuhr, standen Gwen und die rund zwanzig anderen Personen in einem Halbkreis vor dem Eingang zum Lager. Als die Fahrzeuge näher kamen, konnte sie die Fahnen erkennen.
»Es sind Rebellen!«, rief sie den anderen zu. »Lasst mich für euch reden und zeigt keine Angst. Sonst sind wir gleich geliefert. Sie sollen nicht meinen, dass wir vor ihnen die Flucht ergreifen.«
Die Fahrzeuge waren nur noch hundertfünfzig Meter von ihnen entfernt. Mittlerweile konnte sie schon die Gesichter der Männer auf den Fahrzeugen erkennen. Allesamt sehr jung. Nur ein paar wenige schienen älter zu sein.
Gwen erkannte beim näherkommen der Fahrzeuge, dass die meisten Männer Waffen in den Händen hielten. So, wie sie auf sie zuhielten, ging Gwen nicht von einem freundschaftlichen Besuch aus.
Noch immer stand sie in der Mitte der Gruppe, während die anderen sich hinter ihr halbkreisförmig aufgestellt hatten. Als die Fahrzeuge zwanzig Meter vor ihnen zum Stillstand kamen, fuhr eines der Geländefahrzeuge noch näher an sie heran.
›Das wird wohl ihr Anführer sein‹, dachte sie sich.
Der Staub, den die Fahrzeuge hinter sich aufgewirbelt hatten, wurde durch den Wind zum Glück seitlich weggeweht. Sonst hätten sie hier jetzt nichts mehr sehen können.
Nachdem als Erster ein bärtiger Mann mit einer halbautomatischen Waffe in der
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