Das geraubte Paradies
echt schon total der Magen. Darf ich mir noch einen Apfel mehr nehmen?«
»Aber natürlich«, antwortete die Frau lachend. »Nehmt, so viel ihr wollt.«
Der Mann im hinteren Bereich des Wagens hob einen Daumen. Er stöpselte den Kasten ab und zog die Stecker aus Caryas und Pitlits Armbändern. Darüber hinaus holte er zwei Stoffarmbänder hervor, die von einem Metallgeflecht überzogen waren. Stumm bedeutete er Carya und Pitlit, sie auf sein Zeichen hin überzuziehen.
»Na gut, wir müssen jetzt weiter«, sagte die Frau, gebot ihnen aber mit einer Geste, im Wagen zu bleiben. »Habt noch einen schönen Tag.«
»Danke. Ihnen auch«, verabschiedete sich Carya, ohne sich zu rühren.
Der Mann nickte beiden zu, und gleichzeitig streiften Carya und Pitlit die Stoffarmbänder über. Der Mann legte unterdessen einen Hebel an dem Kasten um. Er warf einen Blick auf den Bildschirm seines Rechners. »Alles in Ordnung«, verkündete er. »Die Aufzeichnung läuft, und die Signalgeber senden. Für unsere Freunde bei der Zonengarde spaziert ihr zwei jetzt zum Flussufer und führt da zwei Stunden lang eine absolut belanglose Unterhaltung.« Er grinste.
»Heiliger Strohsack, ist das genial!«, entfuhr es Pitlit. »Was seid ihr denn für Leute? Spione?« Mit leuchtenden Augen blickte er auf den Kasten und dann von einem zum anderen.
»Nicht ganz«, entgegnete die junge Frau lächelnd. »Wir sind Freiheitskämpfer – sozusagen. Mein Name ist Emma Eins Fünf Drei, aber ich bevorzuge Emm. Meine Kameraden: Curzo und Ferrer.« Sie deutete auf den Fahrer und den jüngeren Mann.
»Schön, euch kennenzulernen«, sagte Ferrer.
»Wir sind Carya und Pitlit«, stellte Carya sie beide vor.
»Ich weiß«, erwiderte Emm.
Curzo am Steuer knurrte etwas auf Albionisch.
»Richtig, wir müssen hier weg«, sagte die Frau nickend. Sie wandte sich an den Mann mit dem Kasten. »Ferrer, platzierst du den Sender?«
»Schon dabei«, erwiderte dieser, ergriff den Kasten und sprang damit aus dem Wagen. Er lief zum Flussufer hinunter bis zu einer Stelle, die von der Straße aus nicht einzusehen war, und kehrte gleich darauf ohne den Kasten wieder zurück. »Zwei Stunden«, wiederholte er noch einmal, als er einstieg und die Seitentür zuzog. »Dann müssen die beiden wieder hier sein, oder es wird sehr ruhig auf dem Abhörkanal der Zonengarde.«
Curzo knurrte etwas und trat aufs Gaspedal. Der Wagen bog in eine benachbarte Straße ein und dann auf eine größere Verkehrsstraße, die über eine Brücke hinweg den Fluss überquerte. Sie fuhren durch ein Wohngebiet und folgten anschließend einer Landstraße, die sich in Serpentinen die südliche Bergflanke des Tals hinaufwand. Rasch wurden die Häuser weniger, kurz darauf tauchte die Straße in einen lichten Tannenwald ein. Normalerweise hätten spätestens jetzt Caryas und Pitlits Armbänder Alarm schlagen sollen, doch sie schwiegen, was bewies, dass Ferrers Täuschungsmanöver tatsächlich funktionierte.
Nachdem sie eine ganze Weile der Straße den Hang hinauf gefolgt waren – die Häuser der Erdenwacht erstreckten sich nun klein wie Spielzeuge vor dem atemberaubenden Panorama der nördlichen Berge –, bog ihr Fahrer unvermittelt in einen schmalen Forstweg ein, der sie tiefer in den Wald führte. Ein paar Hundert Meter weiter endete der Weg vor einer unscheinbaren Holzhütte, hinter der eine gänzlich unpassende, grün bemalte Metallschüssel aufragte.
»Da wären wir«, sagte Emm, als Curzo vor dem Haus hielt.
Sie stiegen aus und gingen zu der Blockhütte hinüber. Die Tür öffnete sich, bevor sie angeklopft hatten, und eine feingliedrige Frau mittleren Alters mit bronzefarbenem Hautton, glatten schwarzen Haaren und leicht geschlitzten Augen blickte ihnen aus dem Türrahmen entgegen. Sie begrüßte ihre Freunde und wechselte ein paar Worte mit Curzo, der Carya, nachdem sie ihn nun von vorne gesehen hatte, leicht an Enzo und Luceno erinnerte. Allerdings wirkte er etwas älter als die beiden Invitro-Soldaten und nicht ganz so kompakt.
»Das ist Ziyi«, stellte Emm die exotisch aussehende Frau vor. »Unsere Gentechnikerin.«
Carya nahm die Worte mit einem Nicken zur Kenntnis.
Sie begaben sich ins Innere, das im Halbdunkel lag, da kein Licht brannte und alle Fenster durch orangefarbene Tücher verhängt waren. Die Einrichtung bestand aus einem Sammelsurium aus technischer Ausrüstung und zusammengewürfelten Sitzgelegenheiten. In einer Ecke brummte ein silbergrauer Schrank, daneben ein
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