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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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und hoffte, dass dieser verstehen würde, was er andeuten wollte.
    Nehi spielte auf das geheime Treffen zwischen ihm, Richter Thotmose und Ramses an, welches einen Tag vor der Krönung im Tempel von Opet-sut stattgefunden hatte. Ihm war bewusst, dass sich Nesamun den Grund dieser Zusammenkunft nach Verkündung der Urteile im Fall Senbi gegen Ibiranu hatte ausrechnen können.
    Nesamun schmunzelte.
    »Deswegen bin ich da. Ich wollte dich bitten, nein, ich muss dich auffordern, mir die Frau zu übergeben und mit der Verhandlung zu warten, bis der Pharao wieder in Theben weilt. Ich werde die Dienerin mit zu mir nach Opet-sut nehmen und dort über sie wachen.«
    Der Wesir war erleichtert. Er hatte schon befürchtet, Nesamun würde von ihm ein schnelles und hartes Urteil fordern. Trotzdem verstand er nicht, warum mit einem Mal auch der Zweite Prophet des Amun-Re an dieser Leibeigenen Interesse zeigte.
    Etwas verständnislos blickte er Nesamun an.
    »Warum kann sie nicht im städtischen Gefängnis bleiben, und warum soll die Verhandlung in Theben stattfinden? Deinem Schmunzeln entnehme ich, dass dir klar ist, wem diese Frau ihr mildes Urteil damals zu verdanken hat, doch dieses Mal gibt es Zeugen und ein Motiv, Nesamun. Das kann selbst Ramses nicht ignorieren. Allerdings muss ich zugeben, dass die beiden Zeugen nicht bestätigen konnten, mit eigenen Augen gesehen zu haben, wie sie deinen Sohn niederschlug. Sie fanden sie nur neben Amunhotep stehend, und sie hielt die blutige Waffe in der Hand. Ob das für eine Verurteilung reicht?« Nehi ließ die Frage unbeantwortet im Raum stehen und wartete auf eine Reaktion seines Freundes.
    »Übergib sie mir einfach«, antwortete Nesamun. »Es gibt Dinge, von denen du mir nichts sagen darfst, und es gibt Dinge, von denen ich dir nichts erzählen darf. Und ob sie nun im Gefängnis sitzt oder bei mir in Opet-sut, dürfte doch einerlei sein. Glaube mir, ist sie erst einmal im Tempelbezirk angekommen, wird sie diesen ohne meine Zustimmung oder die meines Vaters nicht wieder verlassen dürfen.«
    Der Wesir zuckte resigniert mit den Schultern.
    »Meinetwegen. Ich weiß, dass sie bei dir gut aufgehoben ist, also sollst du sie haben. Wenn Ramses von seinem Feldzug zurück ist, wird er sowieso wieder in den Süden reisen.« Er sah gedankenverloren vor sich auf den Schreibtisch, auf dem der ausgerollte Papyrus und die vergoldete Schreibbinse lagen. »Ich werde sie dir im Verlaufe des Tages durch einen Medjai nach Opet-sut überstellen lassen.«
    »Wenn ich dir einen weiteren Rat geben darf«, fügte Nesamun hinzu, »lass in Abydos Untersuchungen anstellen, ob diese Leibeigene tatsächlich für den brutalen Überfall auf meinen Sohn verantwortlich ist. Jetzt kannst du vielleicht noch etwas in Erfahrung bringen, vergeht zu viel Zeit, wird es immer schwieriger sein.«
    »Möglich, dass du recht hast. Ich werde darüber nachdenken.«
    Nehi verstand die Welt nicht mehr. Anscheinend verfügte Nesamun über Informationen, die ihm nicht geläufig waren. Zudem schien es, als zöge er in Betracht, dass die Gefangene nicht für den Mordanschlag verantwortlich sei. Doch wie der Prophet des Gottes gesagt hatte: Es gab Dinge, die durfte nicht einmal der Wesir erfahren. Nehi kam es in gewisser Weise sogar gelegen. Er hatte so schon genug zu tun. Warum sich mit diesem Fall belasten, wenn selbst der Vater des Geschädigten nicht auf eine zügige Verhandlung drang?
    »Ich werde also vorerst kein Gericht zusammenrufen«, antwortete er. »Wie ich bereits sagte, Ramses wird erst nach dem Feldzug wieder in Theben weilen. Warum es also überstürzen? Es ist doch nur allzu verständlich, dass sich der König das Recht herausnehmen will, selbst ein Urteil fällen zu wollen, wenn es um ein schweres Verbrechen gegen seinen Einzigen Freund geht. Ich stimme dir zu.«
    Die beiden mächtigen und einflussreichen Männer nickten sich vielsagend zu. Dann erhob sich Nesamun mühselig und verneigte sich knapp vor Pharaos Obersten Richter.
    »Ich danke dir, Nehi. Wenn du wieder etwas Zeit hast, komme mich besuchen. Meine Gemahlin würde sich ebenfalls freuen und lässt dich herzlich grüßen.«
    Nehi bedankte sich für die Einladung, und Nesamun verließ den Palastbezirk, um wieder in seinen Tempel zurückzukehren.
     
    * * *
     
    Als die Leibeigene von einem Medjai an der Seitenpforte des Amun-Tempels einem Priester übergeben wurde, war es schon fast dunkel. Der Beamte des thebanischen Gefängnisses ließ sich die Übergabe der

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