Das Geschenk des Osiris
Sorge sein.« Der ehemalige Schreiber grinste. »Es gibt genug unbewachte Pfade, um in das verbotene Tal zu gelangen. Die Wachen mögen zwar sehr aufmerksam sein und den Befehl haben, auf jeden, der dort nichts zu suchen hat, ohne Warnung zu schießen. Ich bringe uns aber sicher hinein und auch wieder hinaus.« Er schob sich eine Knoblauchzehe in den Mund und kaute genüsslich auf ihr herum. »Wenn ihr alles so macht, wie ich es euch sage, sind wir bald reich und können uns zur Ruhe setzen.«
Zufrieden blickte er in die Runde. Lippenloser schien noch immer seine Zweifel zu hegen, doch sein stummer Kamerad nickte emsig und gab einen gurgelnden Laut von sich, was Mann-ohne-Hand als Zustimmung wertete.
»Die Ewigen Häuser werden zwar gut bewacht«, fuhr er fort, »es steht aber vor keinem Zugang ein Posten. Die Medjai patrouillieren nur auf den Kämmen, weil sie sich sicher sind, schon dort jeden Eindringling abzufangen. Also, wenn ich uns reinbringe, können wir uns seelenruhig bedienen.«
Der Anführer des Trupps ließ ein raues Knurren hören. »Dann nehmen wir uns unsere Entschädigung für das, was dieser König uns angetan hat.« Er rieb sich mit dem Zeigefinger über eine tiefe Narbe, die von der linken Stirnhälfte über die Nasenwurzel zum rechten Ohr reichte, eine Erinnerung an seine Zeit im Steinbruch.
Lippenloser stand der Mund offen. »Ihr wollt das Westliche Haus von Osiris Ranses VI. ausrauwen?« Nasenloser und Mann-ohne-Hand bejahten. »Awer ist das nicht ...« Entsetzt sah Lippenloser zu Boden.
»Was?«, wollte Nasenloser wissen. »Zu gefährlich oder tut dir mit einem Mal der arme König leid?« Drohend ruhte sein Blick auf dem lippenlosen Mann, dessen Gesicht wie das eines Dämons aussah.
»Nein, ich neinte nur ... Wäre es nicht einfacher, ein älteres Graw auszurauwen? Ich denke, ein neues wird zu sehr wewacht.«
»Höre auf zu denken und überlass das mir«, meldete sich Mann-ohne-Hand zu Wort. »Und sperre deine Ohren auf, denn die haben sie dir ja gelassen. Ich sagte doch bereits, dass die Soldaten nur auf den Kämmen patrouillieren und im Tal keine Streifen unterwegs sind. Wir sind dort völlig ungestört.«
»Und wir rauben ein neues Grab aus«, fügte Nasenloser hinzu, »weil wir da sicher sind, auch noch etwas zu finden. Oder glaubst du ernsthaft, wir wären die Ersten, die sich an das Grab eines Pharaos wagen?«
Lippenloser schüttelte rasch mit dem Kopf.
»Ich habe von einem Grabarbeiter erfahren«, hob Mann-ohne-Hand wieder an, »dass es neben Ramses ’ Haus für die Ewigkeit ein aufgegebenes gibt, das zum Teil mit Schutt gefüllt ist. Von dort gibt es eine Möglichkeit, in eine der Seitenkammern vorzudringen, da beim Heraushauen der Kammer die Wand zum aufgegebenen Grab durchbrochen wurde und die Öffnung nur mit einer Mauer aus Ziegeln verschlossen worden ist.« Die Augen seiner Kumpane leuchteten bei dieser Offenbarung gierig auf. »Wir brechen ein Loch in die Mauer und sind drin. Wenn wir alles ausgeräumt haben, und ich denke, das wird einige Zeit in Anspruch nehmen, schließen wir es wieder, und niemand kommt auf die Idee, dass Osiris Ramses seiner Schätze beraubt worden ist.«
»Und du glauwst, dass das klafft?«, wollte der mit dem Dämonengesicht wissen.
»Aber natürlich«, antwortete Mann-ohne-Hand im Brustton der Überzeugung. »Die Häuser der Ewigkeit werden von den Priestern in regelmäßigen Abständen auf ihre Unversehrtheit geprüft. Einmal monatlich das Tonsiegel und höchstens einmal im Jahr, wenn überhaupt, begutachten sie es von innen. Also wird so schnell keiner mitbekommen, dass etwas fehlt.«
»Und wie vertrauensvoll ist dein Informant?«, erkundigte sich Nasenloser.
»Sehr! Er ist stark an einer Beteiligung interessiert, da er es satt hat, den Buckel krumm zu machen und sich bis an sein Lebensende in den Ewigen Häusern anderer abzurackern.«
»Heißt das, dass er mitmachen will?«, fragte der Anführer skeptisch.
Mann-ohne-Hand schüttelte verneinend den Kopf. »Das hat er nicht vor. Er wird mir einen Plan geben, damit wir das aufgegebene Westliche Haus finden können und auch die Stelle, wo der Zugang zum Grab von Osiris Ramses ist, denn inzwischen ist diese vom Schutt verdeckt. Mein Informant sagt aber, es sind nicht mehr als ein bis zwei Ellen, die wir abtragen müssen.«
»Und für diese Informationen will er etwas vom Gold abbekommen«, stellte Nasenloser fest und grinste amüsiert. »Meinetwegen. Hauptsache, er verrät uns
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