Das Geschenk: Roman
damals unterschreiben, als ich nach Übersee ging. Ich bin erwachsen und daran gewöhnt, auf mich selbst aufzupassen.«
»Es ist nicht nur das, Tom«, meinte Roxanne. »Wir wollen nicht, dass Sie in Schwierigkeiten geraten. Sie sind uns ein Freund geworden, und was Sie da vorhaben, ist kein Spaziergang.«
»Ich habe schon schlimmere Situationen überstanden, Roxanne, das können Sie mir glauben.« Tom schaute die Versammelten nacheinander an. »Lassen Sie es mich versuchen. Mehr will ich gar nicht. Wenn es kein Durchkommen gibt, kehre ich sofort um.«
Sie wechselten skeptische Blicke. Schließlich nickten der Schaffner und der Lokführer zögernd. »Also gut.«
Tom ging mit Roxanne zum Gepäckwagen und holte seine Skiausrüstung. Zurück in seinem Abteil machte er sich an die letzten Vorbereitungen für sein Vorhaben, als er plötzlich spürte, wie hinter ihm jemand hereinkam. Es war Eleanor.
»Ich bin gleich fertig«, sagte er betont sachlich.
»Das sehe ich.« Sie stand einfach nur da und schaute ihn an.
»Hast du was auf dem Herzen? Ich bin im Augenblick sehr beschäftigt.«
»Ich will nicht, dass du gehst.«
»Vergiss es. Ich gehe.«
»Du glaubst wohl, du kannst den Zug retten – und alle, die drin sitzen.«
Toms Kopf ruckte hoch. »Ja, so sieht mein Plan aus. Aber du brauchst dich nicht dafür zu bedanken, dass ich den Helden spiele.«
Sie machte einen Schritt nach vorn und ließ sich auf der Kante der Sitzbank nieder. »Meinst du nicht, dass du eher vor irgendwas davonläufst?«
»Na, hör mal. Ich gehe gleich raus in den Schneesturm und riskiere mein Leben, und du nennst mich einen Feigling? Vielen Dank.«
Eleanor ließ sich von seiner verbalen Attacke nicht einschüchtern.
»Willst du wirklich wissen, warum ich damals Tel Aviv verlassen habe? Vielleicht solltest du ’s dir anhören, denn es könnte ja sein, dass du nicht mehr zurückkommst.«
Tom musterte sie lange; dann setzte er sich ebenfalls. »Ich muss schon sagen – dein Timing ist mindestens so schlecht wie meins. Aber okay, klär mich auf.«
Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln; dann sagte sie: »Du bist ein Einzelgänger, Tom, weil dir das Leben so am besten gefällt. Du bist nur für dich allein verantwortlich und brauchst keine Verantwortung für andere zu tragen.«
Er wollte heftig protestieren, doch ein eisiger Blick Eleanors brachte ihn zum Schweigen.
»Ich wollte es dir schon seit Jahren sagen, und jetzt werde ich ’s tun, also wirst du mir gefälligst zuhören.« Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: »Ich habe dich geliebt, Tom, mit jeder Faser meines Herzens. Ich habe dich geliebt, und ich war dein, mit Haut und Haar.«
»Ja. Du warst mein, Vergangenheitsform.«
»Hast du eigentlich nie daran gedacht, dass du in der Zeit, die wir zusammen waren, mehrere Male gekidnappt und in den Kerker geworfen wurdest und dreimal fast getötet worden wärst? Für irgendwelche Storys hast du die verrücktesten Risiken auf dich genommen und nie daran gedacht, was du mir damit angetan hast. Jedes Mal, wenn du durch die Tür gegangen bist, wusste ich nicht, ob du zurückkommst. Hast du denn nie bemerkt, dass es mir immer weniger um unsere Reportagen ging, sondern um dich? Dass ich mir von Tag zu Tag mehr Sorgen gemacht habe? Ich wollte nur noch zurück nach Hause. Mit dir. Ich wollte an einen Ort, an dem wir beide zusammen sein und für immer bleiben konnten. Ich wollte nicht von einem Flugzeug ins nächste steigen, wollte nicht mehr miterleben, wie du den nächsten Auftrag annimmst und mich dabei fragen, ob ich dich jemals wiedersehe. Nach so vielen Jahren des Umherziehens wollte ich einen weißen Jägerzaun, einen Garten hinterm Haus und einen Ehemann, der um neun zur Arbeit fährt und um fünf nach Hause kommt. Aber du hast mich nie gefragt. Das Umherziehen war dir viel wichtiger, als ich es je gewesen bin.«
»Du hast mir ein Ultimatum gestellt, Ellie. Du hast mir nur ein paar läppische Minuten gelassen, um eine für mich lebenswichtige Entscheidung zu treffen.«
»Nein, das habe ich nicht. Ich hatte dich seit Jahren immer wieder gefragt, aber du wolltest es nicht hören. Als ich damals an dem Morgen nach Hause kam und dir sagte, dass ich abreisen will, geschah es nicht spontan. Ich hatte Wochen gebraucht, um den Mut aufzubringen … die Kraft zu sammeln, die nötig war, um diesen Schritt zu tun. Nun, ich habe meine Antwort erhalten.«
Sie erhob sich, um hinauszugehen. »So, jetzt kannst du deine Skier anschnallen
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