Das geschenkte Leben
saß still. »Johann.«
»Was, Jake? Schon wieder Bedenken, eh? Nun mach schon, Mann!«
»Du bist weiblich.«
Johann Smith blieb lange Sekunden still, dann sagte er: »Nun, es ist eine Erleichterung, Gewißheit zu haben. Wenigstens bin ich nicht verrückt. Nun, Jake? Wie ist es dazu gekommen?«
»Ich wußte es die ganze Zeit, Johann. Es war hart für mich, dich zu sehen und mir nichts anmerken zu lassen. Denn du hast richtig gefolgert; deine Ärzte befürchteten, du würdest es schlecht aufnehmen und einen Schock erleiden. Sie wollten dir das ersparen, solange du geschwächt warst.«
»Sie kennen mich nicht. Aber wie ist es passiert, Jake? Das war nicht ausgemacht.«
»Doch.«
»Eh?«
»In deinen Instruktionen sagtest du kein Wort über Rasse und Geschlecht. Du sagtest, der Körper solle gesund und zwischen zwanzig und vierzig sein, mit der Blutgruppe AB negativ. Sonst nichts.«
Johann zwinkerte verdutzt. »Richtig«, sagte er dann. »Aber es kam mir nie in den Sinn, daß sie mich in den Körper einer Frau stecken könnten. Völlig abwegiger Gedanke.«
»Wieso: Jeden Tag werden weibliche Herzen in männliche Körper verpflanzt, und umgekehrt.«
»Richtig, aber jeder weiß, daß eine Herzverpflanzung nichts an der Identität ändert. Die Idioten hätten daran denken müssen, daß es bei einer Gehirnverpflanzung anders ist. Jetzt sitze ich mit meiner männlichen Identität in einem weiblichen Körper und muß Frau sein. Aber wie dem auch sei, besser eine lebendige junge Frau als ein toter Tattergreis. Also, da ich nun weiß, was mit mir ist, gibt es keinen Grund, mir einen Spiegel zu verweigern. Geh hin, Jake, und sag diesem ekelhaften Tyrannen von einem Arzt, daß ich mich sofort in einem Spiegel sehen will, und keine Ausflüchte mehr, verstanden? Und sie sollen mir sofort diese Gurte abnehmen, oder ich verklage sie noch nachträglich wegen Freiheitsberaubung auf Schadenersatz!«
»Ich werde sehen, was ich machen kann, Johann.« Salomon drückte auf den Knopf, um die Krankenschwester zu rufen, ging hinaus. Er blieb fünf Minuten fort, dann kehrte er mit Hedrick, Garcia, Rosenthal und einer weiteren Krankenschwester zurück, die einen großen Handspiegel trug.
Hedrick sagte: »Wie fühlen Sie sich, Miss Smith?«
Sie lächelte ungnädig. »Heißt es jetzt ›Miss Smith‹, eh? Viel besser, danke; wenigstens habe ich Klarheit. Sie hätten es mir vor Wochen sagen können; ich bin nicht so labil, wie Sie denken.«
»Das ist möglich, Miss Smith, aber ich bin verpflichtet, das zu tun, was ich als das Beste für meine Patienten ansehe.«
»Lassen wir das. Aber nun ist die Katze aus dem Sack, und ich will endlich wissen, wie ich aussehe.«
»Selbstverständlich, Miss Smith.«
Dr. Garcia setzte sich an die Instrumentenkonsole, Hedrick und Rosenthal stationierten sich zu beiden Seiten des Bettes. Erst dann nahm Hedrick den Spiegel aus den Händen der Krankenschwester und hielt ihn so, daß die Patientin sich darin sehen konnte.
Johann Smith betrachtete das neue Gesicht mit gespannter Aufmerksamkeit, dann kam ungläubiges Entsetzen in ihre Züge. »Nein! Oh – mein Gott! Lieber Gott, was haben sie uns angetan? Jake! Du wußtest es!«
Des alten Anwalts Gesicht zuckte, aber er bewahrte die Fassung. »Ja, ich wußte es, Johann. Deshalb konnte ich sie nicht für dich finden – weil sie schon hier war, die ganze Zeit. Hier vor mir – und ich mußte … mit ihr reden!« Er schluckte hart. Seine Augen hatten sich mit Wasser gefüllt.
»Jake, wie konntest du es zulassen? Eunice, arme Eunice, vergib mir – ich wußte es nicht!« Ihr Schluchzen folgte wie ein Echo dem seinen, eine Oktave höher.
Hedrick schnappte: »Doktor Garcia!«
»Eingeleitet, Doktor.«
»Doktor Rosenthal, kümmern Sie sich um Mr. Salomon. Schwester, helfen Sie ihm. Ein Schwächeanfall …«
*
Fünf Minuten später war es still im Raum. Drogen hatten die Patientin in betäubten Schlummer gezwungen. Dr. Hedrick vergewisserte sich, daß für Miss Smith keine unmittelbare Gefahr bestand, übertrug die Bettwache an Dr. Garcia und verließ das Krankenzimmer.
Im Schwesternzimmer stieß er auf Mr. Salomon, der auf der dort stehenden Couch lag. Dr. Rosenthal saß mit einem Stethoskop neben ihm. Hedrick blickte ihn fragend an.
»Für meinen Geschmack geht’s ihm recht gut«, meinte Rosenthal, »aber vielleicht sollten Sie das selbst noch einmal überprüfen.«
»In Ordnung«, erwiderte Hedrick und nahm auf dem Stuhl platz, den
Weitere Kostenlose Bücher