Das geschwaerzte Medaillon
unterbrach mein stilles Selbstgespräch. Ich atmete erleichtert auf und spuckte sofort das Blut auf den Boden.
»Okay ...«, sagte Keira ein wenig verwirrt. »Wann hast du es geschafft dir die Lippe aufzubeißen?«
Ich rollte ungläubig mit den Augen. Fast hätte ich ihr an den Kopf geworfen, dass sie das war, aber dann viel mir ein, dass das wohl der kleinere Preis gewesen war, im Gegensatz zur eben vorbei gezogenen Alternative.
»Wo sind wir überhaupt?«, wechselte ich unverwandt das Thema. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir logischerweise nicht mitten im Tunnel standen. Keira zuckte unwillkürlich mit den Schultern.
»Vom Tunnel gehen immer mal wieder kleine Räume ab. Ich hatte gehofft, dass sie nur beim Entstehen des Tunnels benutzt wurden und ich glaube ich habe Recht. Was in dem Fall definitiv eine gute Sache für uns wäre.«
Ich versuchte zu erkennen, wie weit sie mich wohl noch getragen hatte, nachdem ich einfach auf der Stelle eingeschlafen war. Ich gab auf und fragte sie.
Sie zuckte mit den Schultern, wobei ihre Augenbrauen sich zusammenzogen. Auf diese Frage würde ich keine Antwort bekommen. Dann eben nicht.
»Weißt du, wie spät es ist?«, fragte ich etwas pampig. Ich hatte das Gefühl, dass die Dunkelheit mir nicht besonders gut tat. Vor allem schmerzten meine Ellenbogen, die ich mir immer mal wieder an der Wand anschlug, wobei ich mir stets jeden Mucks verbot. Auf eine Schimpftirade hatte ich gerade keine Lust.
»Ich habe keine Ahnung, meine Uhr ist schon vor langem zu einem Opfer des Gefechts geworden und mein Handy spare ich mir lieber für Notfälle, auch wenn es mich wundern würde, wenn einer von uns beiden hier unten Empfang hat.«
Damit hatte sie ganz sicher Recht. Die meisten SMS gingen ja schon an der Oberfläche der Erde verloren, hier unten ...
»Dann anders. Gehen wir weiter oder bleiben wir hier?«
»Weiter. Solange nicht noch mehr von denen auftauchen.«
Das klang logisch, obwohl ich sicher war, dass wir es früher oder später nicht vermeiden konnten. Erst recht sobald der Meister mitbekam, dass wir in seinem Tunnel herumstromerten.
»Was glaubst du? Gehen wir in die richtige Richtung?«
Ich war mir nicht ganz sicher, was mich gerade dazu antrieb, eine Frage nach der anderen zu stellen.
»Naja, eine andere Wahl hatten wir ja noch nicht und außerdem solltest du das besser wissen als ich.«
Ich legte den Kopf schief und versuchte ihren Ausdruck in dem fahlen Licht zu lesen, was eigentlich fast unmöglich war. Ich konnte ihren Gedanken nicht aufnehmen und wusste nicht, worauf sie anspielte. Sie seufzte ein wenig genervt und sah mich noch erwartungsvoller an, bis sie schließlich aufgab.
»Der Faden oder wie du das nennst.«
Ein unerwarteter Stich fuhr durch meinen Magen und sorgte dafür, dass ich mir reflexartig die Arme um den Bauch schlang. Bei dieser merkwürdigen Reaktion zog Keira verwundert eine Augenbraue hoch. Ich hatte nicht an den Faden gedacht. Oder ich vermutete eher, dass ich nicht daran denken wollte. Ich wollte mich nicht daran erinnern, dass wir womöglich in seine Richtung gingen und ich vielleicht nicht in der Lage wäre ihn zu retten. Unwissenheit war eine Art Schutz gewesen. Ein Schutz, den Keira mit ein paar simplen Worten eingerissen hatte.
»Ehm ... ja ... stimmt«, sagte ich schnell und hoffte, es würde sie über meine Reaktion hinwegtäuschen. Ich schwieg für einen kurzen Moment, bevor ich nickte, ohne ihr in die Augen zu sehen.
»Richtig«, murmelte ich und ging plötzlich voraus in den Tunnel. Ich war nicht in die Seelensicht gewechselt. Ich wollte es nicht sehen. Wollte mein Herz nicht mit Hoffnung füttern. Ich wusste nicht, ob ich stark genug sein würde, das Richtige zu tun, sollte es zu einer solchen Entscheidung kommen. Ich sah Keira für eine ganze Weile nicht an, aus Angst, sie würde mein schlechtes Schauspiel doch noch durchschauen.
»Janlan ...«, setzte sie hinter mir an. Ich schüttelte den Kopf heftiger als ich beabsichtigt hatte. Ein brennender Schmerz saß in meiner Kehle. Ich konnte jetzt unmöglich etwas sagen, ohne mich zu verraten. Die Gedanken an Craig verwandelten sich zunehmend in seelische Qualen, die ich einfach nicht würde aushalten können. Nach jedem Kampf dachte ich, es gäbe keine schlimmeren Schmerzen als die, die einem das Fleisch zerreißen und tiefe Wunden hinterlassen, aber leider wurde ich immer wieder eines Besseren belehrt. Ich würde jede noch so tiefe Wunde gegen das tauschen, was ich jetzt
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