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Das geschwaerzte Medaillon

Das geschwaerzte Medaillon

Titel: Das geschwaerzte Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Jane Arnold
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einen Millimeter zu groß. Seine Wangenknochen traten erhaben hervor und betonten die Augen, die von geschwungenen Augenbrauen beschattet wurden. Das Haar war locker zerzaust und lag perfekt. Sein Körper, soweit das zu erkennen war, war die meisterhafte Darstellung des männlichen Körpers, wie er nur von einem Künstler wie Michelangelo dargestellt werden konnte und dieser hatte die Erscheinung dieser Statue nicht erreicht. Kein Mensch konnte solch einen Körper haben. Alles schien einfach perfekt. Wären da nicht die Augen, dann wäre dies der Mann, dem jede Frau verfallen würde. Egal, ob er nun ihr Typ war oder nicht.
    Ich hatte fast vergessen zu atmen, so sehr hatte mich dieser Anblick gebannt und vor allem waren es seine Augen, die es nicht zuließen, dass ich meinen Blick abwandte. Sie waren stechend und verrieten, dass sein Äußeres nur eine Hülle war. Ein Gemälde, das er nach seinem Willen geschaffen hatte, um die Menschen mit seinem bloßen Aussehen zu versklaven. Sie verrieten seine Gier nach Macht und Kontrolle und offenbarten sogar einen Funken des Wahnsinns, der ihn antrieb. Ich erschauderte. Wie sollte man die Welt vor so etwas beschützen?
    »Der Meister wartet nicht«, grollte das Erdwesen und schubste mich mit einer spitzen Kralle weiter. Der Anblick der Statue hatte mich so gefangen genommen, dass ich nicht bemerkt hatte, was sich hinter dem riesigen Steinkopf verbarg. Es war eine Art Tempel, der alles überragte und nur durch eine unendliche Vielzahl von Treppen zu erreichen war. Ich stöhnte bereits innerlich von der Anstrengung, die diese Treppen mir abverlangen würden. Ich war jetzt schon nicht weit entfernt von der Grenze meiner Kräfte.
    Während wir weiter durch die Straßen getrieben wurden – und es waren wirklich Straßen – kamen uns keine Erdwesen entgegen und nun verstand ich auch, was so falsch war. Weshalb die Erdwesen, die uns stetig voran schubsten, nicht hierher passten. Denn das taten sie wirklich nicht. Hier oben war nicht ihr Platz. Sie mussten so etwas wie Arbeiter sein. Völlig verunstaltet und nur noch für den Zweck da, die Wünsche des Meisters zu erfüllen. Hier oben wohnten Menschen. Wirkliche Menschen. Menschen, in deren Brust noch ein völlig normales Herz schlug. Auch wenn sie sofort in die Straßen auswichen, wenn sie uns kommen sahen, so konnte ich genug von ihnen sehen, um sagen zu können, dass sie noch Menschen waren. Das Einzige, das verriet, dass mit ihnen etwas nicht stimmte, waren ihre merkwürdig leeren Augen. Diese Stadt war in Schichten erbaut. Davon war ich jetzt überzeugt. Ich war sicher, dass, je tiefer man hinabstieg, die Bewohner immer mehr aussehen würden wie lebende Steine, wie die Wesen, die gerade an jeder Seite von mir gingen. Ganz unten lebten die Kreaturen, für die jede Hilfe zu spät kam. Einer Eingebung folgend glitt ich in die Seelensicht und blieb ungewollt stehen. Die Anzahl der blau leuchtenden Seelenergien war einfach überwältigend. Es war eine ganze Bevölkerung, die sich über diese Stadt verteilte. Ihre Seelenenergien wurden mit jeder Terrasse schwächer, aber sie waren noch da. Diese Menschen waren noch Menschen und konnten als solche vielleicht noch gerettet werden. Die Frage war nur, wie. Ich musste meine Gedanken auf die Treppen lenken, ansonsten würde ich sicher stolpern und es schaffen mir das Genick, zusätzlich zu meiner Hand, auch noch zu brechen. Der Eindruck, den der Tempel von weitem gemacht hatte, war trügerisch gewesen. Es waren noch viel mehr Treppen, als ich vermutet hatte. Ich keuchte bereits nach wenigen Minuten und drückte meine Hand ununterbrochen schützend vor meinen Körper. Wenn ich fiel, würde ich kaum in der Lage sein, meinen Sturz abzufangen. Mein Keuchen wurde immer lauter und ich konnte hören, dass auch Keira langsam die Anstrengung überkam. Vierhundertdreizehn zählte ich bereits und es schien noch lange nicht vorbei. Ich sackte auf die Knie, als ich bei siebenhundert ankam. Die letzte Stufe oder die erste, wie auch immer man es sah.
    »Aufstehen«, grollte es hinter mir. Ich versuchte der Aufforderung nachzukommen, aber meine Beine gehorchten mir nicht. Meine Oberschenkel brannten und verkrampften sich in stetigen Wellen.
    »Aufstehen«, grollte es erneut und ich spürte den stechenden Schmerz einer Kralle in meinem Rücken. Immer noch schwer atmend erschien Keira neben mir und griff mir vorsichtig unter die Arme. Ich verstand nicht, woher sie noch die Kraft nahm. Nun war die Zeit, um

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