Das Gesetz der Vampire
wieder ein bisschen Normalität in dein Leben zu bringen, und Stevie hat offensichtlich endlich das traurige Ende ihrer letzten Beziehung überwunden. Ganz unabhängig davon tut es euch beiden gut. Wie natürlich jedem anderen auch.«
»Ashton, wie weit können wir der Zusage dieses Mr. Shepherd trauen, dass er uns freies Geleit gibt?«, wechselte Gwynal das Thema, bevor Ashton noch verlegener wurde, als er es schon war.
»Gar nicht. Er hasst Vampire schlimmer als die Pest und steht auf dem Standpunkt, dass jedes Mittel recht und erlaubt ist, um einen zu töten. Ein einem von uns gegebenes Ehrenwort zu brechen, hält er nicht einmal für eine Unehrlichkeit, geschweige denn für eine Sünde.«
Gwynal nickte nachdenklich. »Jetzt verstehe ich, warum du solche Schwierigkeiten hattest, mir zu glauben, was ich dir bei unserer ersten Begegnung erklärt habe. Du dachtest, dass wir es mit den Menschen genauso halten und du dich selbst damals noch nicht als Vampir gefühlt hast.«
»Das tue ich immer noch nicht«, entfuhr es Ashton unwillkürlich, wofür er von allen Seiten nachsichtiges Lächeln erntete. »Was?«, fragte er ungehalten und beinahe aggressiv.
»Nun, mein junger Bruder«, antwortete Sean sanft, » bewusst tust du das vielleicht nicht, aber unbewusst schon längst. Ist dir nicht aufgefallen, dass du gerade ›einem von uns gegebenen Ehrenwort‹ gesagt hast?«
Ashton musste widerstrebend zugeben, dass der alte Vampir recht hatte. Er blickte Gwynal anklagend an. »Du wusstest wahrscheinlich von Anfang an, dass das passieren würde, wenn du mich zwingst, eine Zeitlang als Vampir zu leben.«
Gwynal nickte. »Ich hatte es gehofft. Allerdings in erster Linie um deinetwillen, Ashton, auch wenn es dir vielleicht immer noch schwerfällt, das zu glauben. Ein Leben ist so unendlich kostbar und darf nicht einfach weggeworfen werden. Genau das hättest du aber getan, wenn ich dir nicht dein Wort abgenommen hätte, vorläufig am Leben zu bleiben. Es beweist jedenfalls, dass du ein aufrechter Mann bist, weil du es einhältst, obwohl du es einem Vampir gegeben hast.«
»Ist eine Frage der Ehre«, brummte Ashton. »Meiner Ehre. Ich pflege mein Wort zu halten, egal wem ich es gegeben habe.« Er schüttelte den Kopf. »Ich gebe zu, dass ich inzwischen in gewisser Weise froh darüber bin. So habe ich wenigstens die Chance, das Heilmittel zu finden und danach als Mensch weiterzuleben, falls es existiert.«
»Nehmen wir einmal an, es gelänge dir tatsächlich, wieder ein Mensch zu werden. Würdest du uns dann wieder jagen?«, wollte Gwynal wissen.
»Nur die Verbrecher, das schwöre ich. Und ob ich die Richtigen im Visier habe, würde ich vorher mit euch abklären. Ich will und werde nie wieder einen Unschuldigen töten. Ich habe meine diesbezügliche Lektion zu bitter lernen müssen.« Er sah Gwynal an. »Wenn es nicht zu schmerzhaft für dich ist, würdest du mir sagen, wie Cronos wirklich hieß? Ursprünglich, meine ich.«
Gwynal zögerte und blickte Sean an. Der nickte kurz.
»Sein Name war Neferton.«
»Klingt ägyptisch.«
»Das ist es auch«, bestätigte Sean und fügte leise hinzu: »Er war mein ältester Sohn.«
Deshalb also sah Cronos ihm ähnlich. Ashton spürte die Schuld wieder einmal wie einen Klumpen Blei im Magen. »Sean, das ...«
Der alte Vampir schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. »Ich bin ein Wächter, Ashton, über fünfeinhalbtausend Jahre alt und Vorsitzender des Rats der Wächter. Das befähigt mich, auch den Tod meines eigenen Sohnes nicht persönlich zu nehmen, obwohl die Trauer darüber natürlich sehr persönlich ist.« Er tat einen tiefen Atemzug. »Aber kein Leben währt ewig. In jedem Fall trage ich dir nichts nach, mein junger Bruder. Du hast getan, was du in aller Aufrichtigkeit glaubtest tun zu müssen und hast nicht geahnt, dass du damit einen Fehler begehst. Unabhängig von den persönlichen Folgen für mich – wie könnte ich dir einen ehrlichen Irrtum zum Vorwurf machen.«
Er sah Ashton ernst in die Augen. »Du wirst – falls du nicht ohnehin daran glaubst – im Laufe der Zeit feststellen, dass es höhere Mächte gibt, die unser Geschick lenken. Sie bestimmen zwar nicht jede unserer Handlungen, aber sie fügen gewisse Dinge, und zwar immer die besonders tiefgreifenden Dinge, die leider auch oft mit Schmerz und Verzweiflung einhergehen.
Cronos’ Tod mag auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick wie eine furchtbare Tragödie erscheinen. Aber ich weiß mit
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