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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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hatte, würde sie verwenden können.
     
    Angelo trat so zögernd ein, als erwartete er, gebissen zu werden. Clara bemerkte die Hand eines Beamten auf seiner Schulter, die ihn vorwärtszuschieben schien. Sie hatte erwartet, Malafonte würde erfreut sein, sie zu sehen, oder wenigstens begierig darauf zu erfahren, weshalb sie gekommen war, ob es etwas Neues gab. Stattdessen schlich er vor dem Wachtmeister her, als ob ihm Prügel drohten. Doch in diesem Moment sah sie, dass er nicht freiwillig so langsam ging. Er war gekrümmt und humpelte. Mit einer Hand hielt er sich die rechte Seite. Clara sprang auf und ging auf ihren Mandanten zu. »Was ist passiert?« Als sie keine Antwort erhielt, wandte sie sich an den Justizbeamten hinter Angelo. Es war derselbe rotgesichtige junge Mann, wie bei ihrem letzten Besuch, und er schien unter ihrem Blick noch röter zu werden. »Was ist passiert?«, fragte sie noch einmal mit scharfer Stimme.
    Der Beamte zuckte mit den Schultern. »Eine kleine Meinungsverschiedenheit unter Landsleuten. Heute nach dem Mittagessen. Die Kollegen sind halt a bisserl heißblütig.« Als er sah, wie Clara die Stirn runzelte, fügte er eilig hinzu: »Er wurde untersucht, nur ein paar blaue Flecken und eine Rippenprellung. Nix weiter.«
    Clara unterdrückte eine heftige Erwiderung und musterte Angelo prüfend. »Brauchen Sie einen Arzt? Können wir uns unterhalten, oder soll ich ein anderes Mal wiederkommen?«, fragte sie leise auf Italienisch. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie der junge Beamte vergeblich die Ohren spitzte, und warf ihm einen strengen Blick zu, der ihn zurückzucken ließ.
    Angelo schüttelte den Kopf. »Es ist alles in Ordnung, avvocato . Ich brauche keinen Arzt.«
    Clara nickte und zog einen Stuhl heran. Dann wandte sie sich an den Beamten: »Danke. Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass wir dieses Mal nicht gestört werden?« Der Wachtmeister nickte und schloss die Tür. Clara fragte sich für einen Moment, was ihn wohl dazu bewogen haben könnte, in den Justizvollzug zu gehen. Ob er seine Arbeit gerne tat? Mit Vergnügen? Oder war es ein Job wie jeder andere?
    Sie wandte sich ihrem Mandanten zu, der jetzt gebeugt auf dem Stuhl saß und sich mit den Armen auf der Tischplatte abstützte. Er hatte lange, sehnige Unterarme, an denen die Adern deutlich hervortraten.
    »Ich kann dafür sorgen, dass Sie in ein Krankenhaus kommen, wenn es Ihnen schlecht geht«, meinte Clara, während sie sich ihm gegenüber setzte und ihm ihre Zigaretten hinschob. Abermals schüttelte Angelo den Kopf, dann griff er nach der Schachtel und nahm sich eine Zigarette heraus. » Grazie .«
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist«, verlangte Clara, während sie ihm Feuer gab.
    »Es war nichts, nur ein kleiner Streit mit einem anderen Italiener.« Angelo versuchte ein Lächeln.
    Wer’s glaubt wird selig, dachte Clara.
    Wenn es ihr nur gelänge, an ihn heranzukommen. Doch jedes Mal, wenn sie es versuchte, trat dieser ausdruckslose Blick in seine Augen, hinter dem er sich versteckte, wie hinter einer leeren Wand. Clara fühlte sich an die Häuser erinnert, die sie während eines Urlaubs mit Sean vor ein paar Jahren in Sizilien auf ihrer Fahrt durch die menschenleere, ausgedörrte Landschaft immer wieder gesehen hatten. Die Türen und Fensterläden geschlossen, standen sie scheinbar unbewohnt unter der sengenden Hitze. Verwahrloste Hofeinfahrten, festgebackene Erde, auf der selbst die letzten, raschelnden Büschel Gras zwischen den aufgeplatzten, durstigen Rissen verbrannt waren. Trat man jedoch in das Innere eines dieser Häuser, war es unerwartet kühl und vornehm. Das ganze Leben dort spielte sich im Halbdunkel ab, im staubigen Zwielicht, abgeschirmt von dunklen Läden, durch deren Schlitze die Sonnenstrahlen drangen, um ein paar verschwommene Streifen auf den kunstvollen Fliesenboden zu malen. Öffnete man eines dieser Fenster, traf einen die Hitze mit voller Wucht, man konnte sie greifen, wie etwas Dickflüssiges, Zähes, das einem den Atem nahm und das man mit voller Berechtigung aussperrte wie ein wildes Tier.
    Clara beugte sich vor und versuchte vergeblich, Malafonte in die Augen zu sehen. »Was sagt Ihnen der Name Barletta?«, fragte sie.
    Malafontes langes Gesicht blieb unbewegt, als sie den Namen nannte. Doch seine dunklen Augen flackerten, und Clara sah, wie sich seine Finger so heftig ineinander verschränkten, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Gaetano Barletta«, flüsterte er leise und schluckte.

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