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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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mündlich instruiert, muss eingebimst werden – so mancher Nebendarsteller erscheint ohne Textkenntnis, ja ohne jede Ahnung, dem muss erst mal vorbuchstabiert werden.
    Lieber Parteigenosse Sperber, das sind doch Randerscheinungen! Irgendwas stimmt grundsätzlich nicht bei eurer Arbeit. Wird simuliert oder nicht? Heraus mit der Sprache!
    Dazu lässt sich höchstens sagen: Es ist zu einem Zwischenfall gekommen. Kurz nach dem letzten Angriff auf unser Areal ist der stellvertretende Kamerachef in Panik geraten, hat die unersetzbaren Linsen aus allen drei Kameras ausgebaut und im Schutz der Dunkelheit verbuddelt. Nur hat er leider nicht genau genug die Stelle markiert.
    Panik? Hört sich gar nicht gut an! Der Mann dürfte fehl am Platze sein!
    Meyer-Hunold wollte den Fortgang der Dreharbeiten sicherstellen. Kameragehäuse lassen sich reparieren, auch die Mechanik, Linsen aber können derzeit nicht ersetzt werden. Auch Zeitz ist bombardiert worden. Und Linsen über die Schweiz beziehen, gegen Valuta, sowas dauert!
    Mag ja sein, aber ich sehe noch immer nicht klar – wo hapert es?
    Nun, wie bereits angedeutet: Es fehlt an allem. Zum Beispiel an Schminke. Wie sollen Komparsen auf Leichenblässe getrimmt werden ohne Schminke? Auch im historischen Kolberg lagen nicht nur Leichen herum, die noch Lebensfarben zeigten, es kamen auch betagtere Leichen zum Vorschein, vor allem aus Kellern zerstörter Häuser. Jetzt frage ich, wie sollen Komparsen auf Leichenblässe geschminkt werden ohne Schminke? Wo auch noch zwei Mitarbeiter der Abteilung Maske ausgekämmt und zur Front abkommandiert worden sind? Die Verbliebenen können Schminke nicht selbst herstellen, es fehlt an Grundstoffen. So bleiben nur Notlösungen. Da wir schon so offen miteinander sprechen, Herr Gruppenführer: In Anbetracht dessen, dass es extrem schwierig geworden ist, Gefallene maskentechnisch überzeugend darzustellen – könnte man uns nicht, kurzfristig, ohnehin anfallende Leichen zur Verfügung stellen?
    Wie stellen Sie sich das vor, Sperber?!
    Na ja, verschafft uns einen Lastwagen Leichen aus Sachsenhausen. Die werden mit napoleonischen Uniformen drapiert, werden am Drehort platziert, werden, abzüglich Uniformen, nach Tages-Abschluss der Dreharbeiten wieder abgeholt.
    Es lässt sich über alles nachdenken. In diesem Fall bräuchte ich allerdings Rückendeckung durch Reichsführer- SS .
    Da darf ich noch ergänzend festhalten: Die Fertigstellung des Films ist von höchstem staatspolitischem Interesse. Diese Meinung vertritt jedenfalls der Herr Reichsminister.
    Ich weiß, ich weiß. Sie werden in naher Zukunft von mir hören. Heil Hitler.

    Kurzer Zwischenbericht über einen Vorgang, der bei RM durchaus Resonanz finden dürfte.
    Eigentlich (und es müsste gleich hinzugefügt werden: endlich) sind die Dreharbeiten zum K-Film beendet. Dennoch muss die Endmischung verschoben werden; laut Telefonat zwischen Sperber und Terzenbach hält Dr. G. eine Ergänzung des Films für notwendig, und zwar durch ein Gespräch zwischen Nettelbeck und Gneisenau. Dies in einem Wohnraum der belagerten Stadt Kolberg.
    Mit solch einem Gespräch soll ein wenig Ruhe in das Filmgeschehen gebracht, soll Nachdenken motiviert werden über Krieg und die Ursachen von Krieg. Dabei wünscht Dr. G., dass sich Nettelbeck wie Gneisenau in folgendem Sinne äußern: »So ein Krieg ist ein großes Experiment, das die Natur macht.«
    Diesem richtungsweisenden Satz folgen weitere Zitate, die Wolfgang Liebeneiner (als Berater erneut hinzugezogen) nach Stichworten aus dem RMVP in gewohnt souveräner Weise formuliert hat.
    Gneisenau, »nachdenklich«: »Warum ist der Mensch des Menschen Feind? Auf diese Frage hat nicht einmal Sokrates eine Antwort gewusst. Ein Krieg ist halt eine Naturkatastrophe, wie ein Erdbeben, da weiß man auch nicht,
warum
es kommt.«
    Nettelbeck, »seine Meerschaumpfeife stopfend«, sieht im Krieg eine »Probe, auf die wir gestellt werden. Wer uns diese Prüfung schickt, ob Gott oder die Vorsehung oder das Schicksal oder die Natur – es gibt da so viele Namen! Wichtig ist nur, dass wir diese Prüfung bestehen, und zwar vor uns selbst. Aber das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.«
    Ebenso unisono wird von beiden die Bereitschaft bekundet, für die gemeinsame Sache zu sterben. Warum wird hier nicht, in einer Sprachregelung des Ministeriums, das Verb »sterben« ersetzt durch »siegen«?
    Vielleicht sehen Goebbels und Liebeneiner eine Antwort in der Äußerung, die wiederum

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